Erfurt. Fragen etwa zum Geburtsverlauf und zur Gesundheit von Eltern und Großeltern des einzuschulenden Kindes seien nach seinem jetzigen Kenntnisstand nicht erforderlich, um festzustellen, ob das Kind für die erste Klasse geeignet sei.

In Thüringen werden von Eltern künftiger Erstklässler unzulässige Auskünfte verlangt. Der Thüringer Landesdatenschutzbeauftragte Lutz Hasse sagte auf Anfrage, Teile eines an Eltern verschickten Fragebogens widersprächen datenschutzrechtlichen Grundlagen. Der „Fragebogen zur kinder- und jugendärztlichen Einschulungsuntersuchung“ wird nach MDR-Recherchen mindestens seit dem Jahr 2002 thüringenweit von den zuständigen Kommunen an betroffene Familien ausgegeben. Der MDR hatte Hasse mit den Fragebögen und den Recherchen konfrontiert.

Der Landesdatenschutzbeauftragte sagte weiter, Fragen etwa zum Geburtsverlauf und zur Gesundheit von Eltern und Großeltern des einzuschulenden Kindes seien nach seinem jetzigen Kenntnisstand nicht erforderlich, um festzustellen, ob das Kind für die erste Klasse geeignet sei. Angaben dazu, ob das Kind mit Saugglocke oder Zange zur Welt kam, oder ob die Großeltern Brillen tragen oder der Vater des Kindes etwa an Krebs erkrankt ist, seien datenschutzrechtlich kritisch. Das Thüringer Gesundheitsministerium erklärte auf MDR-Anfrage, mit den Fragen könnten körperliche und psychologische Entwicklungsauffälligkeit der Kinder frühzeitig erkannt werden. Das Ministerium kündigte aber zugleich an, dass die Fragebögen datenschutzrechtlich überprüft und überarbeitet werden sollen.

Gemeinsam mit der Gesundheitsstaatssekretärin Ines Feierband will Hasse deshalb die Fragebögen ändern. Dabei sollen auch Mediziner hinzugezogen werden. Es habe an den bisher ausgegebenen Fragebögen zu viele Kritikpunkte gegeben, so Hasse. Er sei aber zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werde, die dem Datenschutz der zukünftigen Erstklässler entspricht.

Die Einschulungsuntersuchung ist für künftige Erstklässler verbindlich. Allerdings werden Kinder vor Schuleintritt ohnehin von einem Kinderarzt des zuständigen Gesundheitsamtes untersucht. Zudem sind Eltern in Thüringen gesetzlich verpflichtet, ihre Kleinkinder von Geburt an einmal jährlich dem Kinderarzt zur sogenannten Früherkennungsuntersuchung vorzustellen. Diese Untersuchungen sollen es ermöglichen, eventuelle Auffälligkeiten bei der Entwicklung des Kindes frühzeitig zu erkennen.

Thüringen will bei der Überarbeitung der Fragebögen auch auf die Erfahrungen der anderen Bundesländer setzen. So ist die Angabe der Daten etwa in Bayern freiwillig, in Berlin dagegen wird zusätzlich nach dem Schulabschluss der Eltern, der Anzahl der Raucher in der Familie und dem Fernseh- und Computerverhalten der Vorschüler gefragt.

In Thüringen werden die erhobenen Daten laut Gesundheitsministerium anonym zur statistischen Auswertung der Kinder- und Jugendgesundheit gespeichert. Seit 2003 werden zukünftige Erstklässler in dieser Form im Rahmen einer Schuleingangsuntersuchung ärztlich kontrolliert. Allein für das Schuljahr 2018/19 wurden knapp 18.500 Fragebögen verschickt.