Erfurt. Die Sorge um die Meinungsvielfalt wurde laut. Der Betriebsrat beklagt den Personalabbau. Geschäftsführer Tallai verteidigt die Umstrukturierung der Mediengruppe Thüringen.

Michael Tallai hatte erwartet, dass er es schwer haben würde am gestrigen Nachmittag (Donnerstag) im Erfurter Café „Nerly“. Der Geschäftsführer der Mediengruppe Thüringen wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil.

Ihm gegenüber saß nicht nur Britt Mandler, die Betriebsratschefin der „Thüringer Allgemeinen“, sondern auch der Mann, der bis 2009 fast 20 Jahre lang die Zeitung als Chefredakteur geführt hatte. Sergej Lochthofen kritisierte hart den vorgesehenen Stellenbau bei der TA und den anderen beiden Blättern der Mediengruppe, der „Ostthüringer Zeitung“ und der „Thüringischen Landeszeitung“. Die Situation, sagte er, sei „schrecklich.“

Zu den Fakten. Die Mediengruppe beschäftigt bisher in den Redaktionen ihrer drei Tageszeitungen etwa 260 Redakteure und fast 40 Sekretärinnen. Im Rahmen eines Zukunftsprogramms der Mediengruppe sollen die Redaktionen zusammengelegt werden, wobei ein Drittel der Belegschaft wegfällt. Gleichzeitig will die Gruppe in ein neues Online-Nachrichtenportal investieren.

Die Lokalredakteure der drei Titel werden komplett in eine neue Gesellschaft überführt. Bei den Redakteuren, die sich um die Produktion und Inhalte und der überregionalen und regionalen Seiten kümmern, soll hingegen nur etwa jeder zweite in eine andere Gesellschaft übernommen werden, die alle drei Zeitungen unter Maßgabe ihrer Chefredaktionen beliefern soll.

Die Sekretärinnen, von denen die meisten in den Lokalredaktionen arbeiten, könnten entlassen werden. Eine zentrale Servicegesellschaft soll mit neuem und deutlich weniger Personal ihre bisherige Arbeit zentral verrichten, sofern sie nicht wegfällt.

Darüber diskutierte Tallai nun am Donnerstag im „Nerly“ mit Mandler, Lochthofen – und der grünen Landtagsabgeordneten Madeleine Henfling, die sich sorgte, dass künftig die Medienvielfalt leide. Auf seiner Seite hatte der Sprecher der Geschäftsführung OTZ-Chefredakteur Jörg Riebartsch, der versicherte, dass er voll hinter den geplanten Maßnahmen stehe.

Gekommen war mehr als 100 Interessierte, darunter viele frühere und aktuelle Mitarbeiter. Eingeladen hatte neben der SPD-nahen Ebert-Stiftung der Journalistenverband. Sie glaube nicht, sagte Landeschefin Anita Grasse zur Eröffnung, dass man eine Zeitung zukunftsfähig mache oder Qualität erhöhe, indem man Personal reduziere.

„Wir sind der Meinung, dass es funktionieren wird“, sagte jedoch Tallai. Im Übrigen lasse der Verlust an Abonnements und Anzeigenerlösen dem Verlag keine andere Wahl. Eine umfangreiche Leserbefragung habe ergeben, dass vor allem die Lokalredaktionen gestärkt werden müssten. Dies geschehe nun.

Die überregionale Berichterstattung, sagte Tallai, erhalte man hingegen jetzt von einer Zentralredaktion in Berlin. Deshalb könne man hier kürzen. Riebartsch versicherte, dass es trotz der engen Zusammenarbeit drei Zeitungen mit eigenständigen Chefredaktionen geben werde, die sich deutlich voneinander unterschieden.

Britt Mandler bezweifelte für den Betriebsrat diese Darstellungen. Viele Lokalredaktionen würden nicht personell verstärkt, sagte sie. Zudem käme ohne Sekretärinnen noch mehr Arbeit auf die Redakteure zu.

Sergej Lochthofen wurde noch deutlicher. Der geplante Abbau, sagte er, sei in diesem Umfang in Deutschland einmalig, zumal dieser nicht der erste war. Die Mitarbeiter plagten nun existenzielle Ängste, derweil der Verlag Jahr für Jahr eine zweistellige Rendite nach Essen zum Mutterkonzern, der Funke Mediengruppe, überweise. Schon in den letzten Jahren seien junge Redakteure gegangen.

Tallai wies dies als Polemik zurück. „Ja, wir schreiben noch Gewinn, wobei die Betonung auf noch liegt“, sagte er. Eine zweistellige Rendite gebe es nicht mehr. Handele man jetzt nicht, rutsche das Unternehmen ins Minus. Allein der Mindestlohn, der jetzt den Zustellern gezahlt werde, koste zusätzliche 15 Millionen Euro im Jahr. Dies müsse kompensiert werden.

Schließlich sagte der Geschäftsführer, dass es nach derzeitigem Verhandlungsstand mit dem Betriebsrat so aussehe, dass man bei den Redakteuren vielleicht um betriebsbedingte Kündigungen herumkomme. Auch was die Sekretärinnen betreffe, prüfe man derzeit die Vorschläge des Betriebsrats.