Berlin . Royal-Experte Alexander von Schönburg spricht im Interview über einen tragischen König Charles und ein ungeduldiges Thronfolgerpaar.

Bei der Krönung schwor Prinz William seinem Vater König Charles III. die Treue, doch kaum sitzt die Krone auf dem Haupt des 74-Jährigen, äußert der Thronfolger Kritik an der Zeremonie. Laut Londoner „Sunday Times“ hat er einige Rituale als altmodisch empfunden. Er wolle das Prozedere bis zu seinem Amtsantritt weiterentwickeln, verriet eine Palastquelle.

Bestsellerautor Alexander von Schönburg ist Deutschlands bekanntester Royal-Experte und intimer Kenner des Hauses Windsor. In seinem aktuellen Buch „Was bleibt, was wird – die Queen und ihr Erbe“ (Piper, 25 Euro) blickt er in die Zukunft der Monarchie. Im Interview fordert er: William und Kate, übernehmen Sie!

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Krönung sahen?

Charles wirkt auf mich wie ein trauriger König. Er weiß, dass er zu spät an die Reihe kommt, um wirklich etwas zu bewegen. Seine Körpersprache machte einen müden Eindruck. Wenn man das vergleicht mit den Bildern von 1953, als seine Mutter mit 27 zur Queen gekrönt wurde - was da an Aufbruchstimmung herrschte und Freude über die junge Thronfolgerin…

Sie hat damals dem ganzen Land ein Gefühl der Erneuerung verliehen. Man muss nur das Familienfoto der Royals betrachten, das nach der Krönung veröffentlicht wurde: Es ist ein Gruppenfoto von Dinosauriern. Der Eindruck, der hier entsteht, ist, dass sich der Staub von Jahrzehnten auf der Institution angesammelt hat. Die Queen genoss so viel Respekt, dass die Institution Monarchie sicher war. Das ist nun anders. Es herrschen neue Zeiten und Charles steht für die alte Zeit.

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Der Lebensgefährte des irischen Regierungschefs Leo Vardakar verglich die Edwardskrone auf Instagram mit dem Zauberhut von Harry Potter.

Er bekommt gerade viel Dresche dafür, weil er es noch während der Zeremonie postete und schließlich seit Ewigkeiten mehr kein irischer Regierungschef bei einer britischen Krönung dabei war. Aber er hat ja nicht ganz Unrecht: Die Schwerter, der Hermelinmantel… Die Bildsprache hatte etwas von Kostümfest und „Herr der Ringe“. Er und Camilla wirkten verkleidet und aus der Zeit gefallen. Während die Krönung 1953 Aufbruch signalisierte, wirkt diese Krönung wie der Ausklang einer Epoche.

Aber auch Charles will ja modernisieren.

Seine Position ist denkbar schwierig. Nur noch etwa acht Prozent der Briten stehen felsenfest hinter der Monarchie, aber auch die wollen die Modernisierung. Aber was heißt das? Man kann den ganzen Prunk loswerden, man kann einen Chor „Imagine“ von John Lennon singen lassen statt Kirchenlieder aus dem Mittelalter, aber dann geht vielleicht der letzte Rest an Magie, die vom Königshaus ausgeht, flöten.

Adelsexperte Alexander von Schönburg spricht im Interview über die Ungeduld von William und Kate.
Adelsexperte Alexander von Schönburg spricht im Interview über die Ungeduld von William und Kate. © picture alliance/dpa

Das Ganze hat etwas Tragisches. Egal, was Charles tut, er kann nicht gewingen. Auch politisch: Die rigiden Pläne der konservativen Regierung, Flüchtlinge ohne Verfahren abzuschieben, womöglich nach Ruanda, gehen ihm gegen den Strich. Aber für die einen geht seine Kritik an der Regierungspolitik zu weit, weil er sich damit in zu sehr einmischt, andere finden, er solle sich mehr einmischen.

Sein größtes Handicap aber ist: Er vermittelt dem Land kein Gefühl von Aufbruch, die ganze Institution wirkt verstaubt, aber da er selber zutiefst in der Tradition verankert ist und auch wegen seines Alters ist er kein glaubwürdiger Erneuerer.

Gibt es denn auch etwas, was für ihn spricht?

In der englischen Geschichte haben sich die Prinzen von Wales vor allem als lebenlustige Halodri hervorgetan. Das ist er nicht. Er ist ein zutiefst ernsthafter Mensch, er ist der mit Abstand am besten ausgebildete König aller Zeiten, er hatte mehr als 70 Lehrjahre. Das Tragische ist: Er hat sein ganzes Leben auf dieses Ziel hingearbeitet. Jetzt, wo er an der Reihe ist, merkt er, dass seine Zeit eigentlich schon vorbei ist und er nur noch als Übergangskönig agieren kann.

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Für sein Alter kann er ja nichts.

Aber für seine Körpersprache und seine Mimik. Das ganze Land blickte in sein trauriges Gesicht, das er bei der Krönung mit aufsetzte. Wie will er seinem Land damit Zuversicht und Aufbruchsstimmung vermitteln? Wenn er dann noch zornig wird wegen Verspätungen wie in der Kutsche oder weil ein Kugelschreiber nicht funktioniert, dann wirkt er für die Briten wie ein grumpy old man, oder gar bedrohlich wie Shakespeares böser alter König Lear, den dort alle aus dem Schulunterricht kennen.

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Kann Camilla es herausreißen?

Sie ist nicht mehr die meistgehasste Frau. Sie wird respektiert, aber nicht geliebt. Sie bleibt auf ewig the other woman, egal, wie viele Imageberaterinnen dagegen anarbeiten. Auf der Rangliste der beliebtesten Royals rangiert sie ganz unten, knapp vor Andrew, Harry und Meghan.

Was sollte Charles jetzt tun?

Das Beste, was Charles tun könnte, wäre, den Laden ein paar Jahre zusammenzuhalten und dann die Regentschaft abzugeben. Und mein Eindruck ist, dass Kate und William auch schon mit den Hufen scharren. Der Videoeinspieler von Kate am Klavier im Ballsaal des Buckingham-Palastes zum Eurovision Song Contest, das war schon faszinierend. Das war das neue, moderne Gesicht der Monarchie. Gegen solche Bilder haben Charles und Camilla nichts entgegenzusetzen. Genauso ihr Behind The Scenes-Video von der Krönung: perfekt inszeniert, ein bisschen zu glatt, sehr geschliffen.

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Was wollen William und Kate damit vermitteln?

Der gar nicht so subtile Subtext war: Schaut auf uns, hier sind wir, und wir sind die Zukunft. Es hat was von einem Video, wie sie in Hotels in Endlosschleife laufen. Dann lässt William Aussagen durchsickern, die auch als indirekte Kritik an seinem Vater verstanden werden kann: „Bei mir soll die Krönung ganz anders sei. Ich möchte relevant sein. Ich möchte in der Mitte der Gesellschaft stehen und nicht als prunkvoller, pompöser König in seiner Parallelwelt. Die Botschaft ist: Haltet aus mit dem Alten! Wir sind schon da. Und wir übernehmen.