Ein positives Klassenklima, höhere Lernbereitschaft und bessere Leistungen: Um das zu erreichen, holen sich immer mehr Lehrkräfte tierische Unterstützung. Nanni ist eine von ihnen.

Blondes Fell, rotes Halstuch, das sind die äußeren Merkmale von Nanni. Gerne liegt sie in ihrer Ecke links neben der Tafel und schläft. Manchmal wandert sie auch durch das Klassenzimmer und lässt sich streicheln. «Das ist besonders schön», sind sich alle Kinder der dritten Klasse an der Staatlichen Grundschule Goldbach im Landkreis Gotha einig. Aber Nanni ist nicht nur zum Kuscheln und Entspannen da. Sobald sie ihr rotes Tuch trägt, ist sie offiziell im Dienst. Denn Nanni ist ein Schulhund.

Schulhund Nanni im Einsatz während des Unterrichts.
Schulhund Nanni im Einsatz während des Unterrichts. © dpa-Zentralbild/dpa | Michael Reichel

Zwei Mal in der Woche ist die Golden Retrieverdame für drei bis vier Stunden bei den 20 Kindern in Warza im Einsatz. «Wenn der Hund in der Früh zur Tür reinkommt, dann strahlen alle», sagt Lehrerin Sandra Hofmann. Über Nanni ist es ihr möglich, die Kinder auf völlig neuen Wegen zu motivieren und zu interessieren, sagt sie - etwa für Matheaufgaben.

So denkt sich Hofmann Rechenaufgaben aus, die sich um die Hündin drehen: Wie viele Beine haben acht Nannis? Wie viele Schuhe muss Nanni mopsen, wenn 28 Fußballspieler barfuss laufen sollen? Statt zu murren kichern die Kinder und machen sich ans Lösen.

Nanni verteilt aber auch Aufgaben: So bringt sie den Kindern etwa Bälle, die sie dann dem Einmaleins zuordnen müssen. Vorgelesen wird oft Nanni, nicht der Lehrerin. «Die Kinder trauen sich viel eher einen schweren Text zu, wenn der Hund lauscht.» Neben Mathe und Deutsch ist Nanni auch im Bio- und Englischunterricht präsent: «Nanni is a dog», steht auf einer Arbeit der Kinder geschrieben, die an der Wand hängt.

Nannis Anwesenheit fördert den Mut der Klasse.
Nannis Anwesenheit fördert den Mut der Klasse. © dpa-Zentralbild/dpa | Michael Reichel

«Es ist wirklich genial», meint Schulleiter Mathias Stellmacher. «Das ist eine Arbeitsatmosphäre, da wären so einige baff.» Und so macht es ihm auch nichts aus, dass Nanni eine Tür in den Garten und eine ständige Rückzugsmöglichkeit braucht. Während Kinder und Eltern sofort dabei waren, waren die Hürden beim Veterinäramt sowie der Schulverwaltung und dem Schulamt zunächst recht hoch. «Im Großen und Ganzen waren alle aber sehr offen», sagt Stellmacher.

Damit Nanni und Hofmann im Duo unterrichten dürfen, haben die beiden mehrere Trainings und Prüfungen hinter sich. Schulhunde sind in der Regel zu Therapiebegleithunden ausgebildet worden. Der Begriff umfasst auch Hunde, die in nicht therapeutischen Einsatzfeldern arbeiten, wie etwa in Schulen.

«Ein Schulhund muss besonders stressresistent und eher ruhig sein, Kinder natürlich besonders mögen und es ist hilfreich, wenn sie gern apportieren oder Tricks machen», erklärt Susanne Wille von «Servicehunde Mitteldeutschland», wo auch die beiden aus Gotha für ihren Einsatz geschult wurden. Die Rasse sei völlig egal.

Regeln aus dem Training hat Hofmann zum Schutz ihrer Hündin von Anfang an in ihrer Klasse eingeführt. So ist allen Kindern seit der Einschulung klar, dass niemand Nanni etwas weggenimmt, sie nur nach Absprachen gerufen werden darf und in der Klasse stets leise gesprochen und langsam gelaufen wird. «Und in Nannis Bereich darf niemand, das ist doch klar», sagt die neunjährige Maggie. «Das ist ihre Komfortzone.»

Schulhund Nanni auf dem Pausenhof.
Schulhund Nanni auf dem Pausenhof. © dpa-Zentralbild/dpa | Michael Reichel

Tierschützer kritisieren mitunter, dass der Schulbetrieb für die Tiere zu anstrengend sei. Das Wohlergehen Nannis habe immer Vorrang, erklärt Hofmann. Deshalb gebe es die Regeln, dafür setze sie sich ein. «Und wenn es dem Hund nicht gut geht, bleibt sie ganz zuhause.»

Auch Labrador Auri und Göran Schmidt haben sich bei Trainerin Wille auf ihren Einsatz vorbereitet. Seit 2018 arbeitet Schmidt für die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Thüringen als Sonderpädagoge an der Jenaplanschule Erfurt. Seit zwei Jahren unterstützt ihn Auri dabei. Durch Auri gelinge es ihm, einen Zugang zu schulabbruchgefährdeten Jugendlichen aufzubauen, sagt Schmidt. Die Hündin schlage wahre Brücken zu den Teenagern der siebten und achten Klasse.

In Erfurt sind neben Auri gleich mehrere Hunde im Schuleinsatz. Insbesondere Förderzentren arbeiteten in der Verhaltenstherapie oder im Autismusspektrum mit Tieren, hieß es aus dem Bildungsministerium. Eine statistische Erfassung erfolge in Thüringen aber nicht. «Die Schulleitungen entscheiden eigenverantwortlich.»

"Bitte lies mir mir!!", steht auf einem Kärtchen. © dpa-Zentralbild/dpa | Michael Reichel

Im Landkreis Gotha scheint Nanni weiter die Einzige zu sein. «In Thüringen ist einfach nicht so viel los», meint Lydia Agsten, Erste Vorsitzende des Vereins Qualitätsnetzwerk Schulbegleithunde. In anderen Bundesländern sei man mit einer zentralen Koordination schon weiter. Bundesweit fehlten immer noch einheitliche Standards.

Seit der Einschulung begleitet die viereinhalbjährige Nanni nun schon ihre Klasse. Während der Pandemie war sie sogar digital an der Seite ihrer Schützlinge. Selbst am Wochenende nimmt eines der Kinder eine Nanni als Plüschtier mit nach Hause, um am Montag die Geschichte vom Wochenende der Hündin mit den anderen zu teilen.

Wenn die «verfressene» Nanni, die «manchmal an den Schulranzen schnüffelt», die «kuschelige» Nanni, die «tröstet, wenn wir traurig sind» oder die «manchmal auch ein bisschen verrückte» Nanni, die sich tot stellt, nicht mehr in die Schule käme, dann wäre das «ganz schön blöd», sind sich Maggie, Fritz, Maya, Milo und Karla einig. «Wir können einfach besser lernen, wenn sie da ist», sagt Fritz. «Punkt.»