Udo Lindenberg feiert auf dem Rockliner seinen Geburtstag und mit ihm viele Thüringer.

Die Finger nesteln an der Sonnenbrille, bevor sie den Hut ein Stück nach unten schieben. „Yeah“. Udo Lindenberg mag die breite Krempe über der Brille und ihre großen dunklen Gläser. Dahinter schwirren die Gedanken, er nimmt in seiner Umgebung alles wahr, reagiert in Sekundenschnelle auf ein Stichwort. Clueso? „Ja, cooler Junge. Unsere Freundschaft geht weiter“. Seinen Erfurter Kumpel, mit dem er den grandiosen Song „Cello“ spielt und den er sogar in einer Videobotschaft grüßt, hätte er auf dem Rockliner gern dabei gehabt.

Dieser schippert bereits zum sechsten Mal über das Meer, zwischen Abfahrt und Ankunft in Kiel macht er Station in Helsinki und Stockholm. Party ist von früh bis abends auf dem Schiff, gestern war sie besonders ausgelassen. Denn Udo wurde 73, was für ihn aber kein Grund zu einer Extra-Sause ist. „Denn ich bin ein Alien, habe den Club der 100 gegründet und so noch mindestens dreißig Jahre vor mir“. Seine Fans ließen ihn dennoch hochleben, von Gastgeber Tui Cruises erhielt der Meister der lockeren Sprüche eine Riesen-Torte – etwa 300 Kilo schwer – geschenkt. Natürlich mit reichlich Eierlikör, dem Kultgetränk auf dem Ozean-Riesen, der auch in Long-Drink-Bechern ausgeschenkt wird. Über 1000 Liter des süßlich Gelben, den Udo für sich als Gurgelstoff fürs Goldkehlchen bezeichnet, sind in der Küche gebunkert. Doch es wird vermutet, dass der Verzehr eine Nachproduktion nötig macht.

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Auch die Thüringer rocken den Ozean und heben sportlich die Gläser. Sie sind zahlreich an Bord, stammen aus allen Regionen des Freistaats, machen das mit Transparenten, Kapuzenjacken und Shirts deutlich. Auf denen steht „Hinterm Horizont liegt Erfurt“ oder „Rock’n Roll Arena Jena grüßt Udo“ oder „Suhl ist cool“. Die meisten sind Wiederholungstäter. Aber auch für sie ist der Rockliner-Cup eine Premiere – ein Fußballturnier in der Hallen-Arena, in der Erfurter und Jenaer sogar gemeinsam in einer Mannschaft kicken. „Die Musik verbindet eben“, sagt Ulf Schmidt, Kapitän der Truppe „Panikdorf Erfurt“ in Anlehnung an Udos „Panikcity Hamburg“. Er, der bei jeder Gelegenheit tapfer eine Rot-Weiß-Fahne aushängt, feiert einen Hattrick mit Ehefrau Doreen Sollik. Bereits zum dritten Mal ist das Paar auf der Kreuzfahrt ins Glück dabei. Und selbst wenn die Party bis in den Sonnenaufgang dauert, beim Einlaufen in die Häfen stehen sie morgens wacker an der Reling.

Uwe Dambeck mit Grüßen aus der Thüringer Landeshauptstadt. Foto: Gerald Müller
Uwe Dambeck mit Grüßen aus der Thüringer Landeshauptstadt. Foto: Gerald Müller © zgt

Auch „Die Puffbohnen“ um den 56-jährigen Uwe Dambeck, der wie seine Freunde aus dem Ortsteil Schmira monatelang für die Tour gespart hat, versuchen wie die „Feierwehr Suhl“, „Die Udonauten“ oder „Die Rockpiraten“ die nächtliche Form am helllichten Tag zu bestätigen. Das gelingt nicht immer. Doch es sind einige Thüringer Landsleute da, die zwar keine Tore schießen können, aber für das sonstige Wohl sorgen. Rund 1070 Angestellte aus 48 Ländern kümmern sich um die über 3000 Passagiere (Durchschnittsalter 51,8 Jahre mit 66 Kindern) auf „Mein Schiff 1“ von der Tui Cruises-Flotte. Die Plätze für die panischen Zeiten zwischen Bug und Heck sind dabei innerhalb weniger Minuten ausgebucht. Gefühlt jeder Zweite hat die vier Udo-Wörter „Ich mach mein Ding“ irgendwo verewigt, jeder Dritte trägt Panik-Shirts, jeder Vierte einen Hut: Ein illustres Sammelsurium aus verschiedenen Generationen, bunte Vögel, deren Nachtigall Udo ist.

„Das Außergewöhnliche dieser Tour ist die lockere Atmosphäre “, so Generalmanager Axel Sorger. Udos Motto: „Keine Panik“, funktioniere fast immer. Susanne Lippe aus Erfurt bestätigt das. Sie ist erst zwei Monate an Bord, arbeitet im Gäste-Service, hilft dort mit Rat und Tat. Die 35-jährige Erfurterin, die sonst im Tanzhaus der Landeshauptstadt als Organisatorin und Lehrerin wirbelt, will mit der Anstellung die Reiselust weiter stillen. Sie, die internationales Management studierte, hat schon zwei Weltreisen hinter sich. „Irgendwie zieht es mich anscheinend magisch in die Ferne“.

Seltene Aussicht: Susanne Lippe aus Erfurt arbeitet meist auf Deck 3 an der Schiffsrezeption. Foto: Gerald Müller
Seltene Aussicht: Susanne Lippe aus Erfurt arbeitet meist auf Deck 3 an der Schiffsrezeption. Foto: Gerald Müller © zgt

Die jetzige Reise genießt sie, „ich staune selbst noch immer wie ein Gast über die Abläufe“. Zudem freue sie sich nach den Mittelmeer-Strecken über die aktuelle Route – „ich war noch nie im Norden“. Udo findet sie gut, „er ist mit seinen Liedern eine Institution“, vor allem könne er auch beachtlich tanzen. „Das sieht sehr locker aus, hat einen eigenen, unverwechselbaren Stil“, so das Urteil der rothaarigen Erfurterin über den Mann mit den grünen Socken.

Neun Etagen höher, auf Deck 12, hantiert Enrico Koch im Spa-Bereich. Der 28-Jährige stammt wie Philipp Günther aus Südthüringen. Dieser, ein sichtbares Kraftpaket, führt bei Landausflügen die bis zu sechsstündigen Radtouren durch, „da kommen wöchentlich oft Hunderte Kilometer zusammen“.

Von früh bis abends ist Udo präsent

Enrico Koch, in Meiningen geboren, hat körperlich ein nicht so hartes Programm. Der gelernte Friseur geht nach der Udo-Reise am Sonntag von Bord und überdenkt dann erst mal seine Zukunft. Er lebt aktuell in Themar, nachdem sein Zuhause lange auch Erfurt war. Doch die Beziehung zum Freund ist zerbrochen.

Die jetzige Tour hat für ihn den siebentägigen Alltag an der Rezeption im Spa-Bereich kaum verändert. „Ich arbeite viel, genieße den Zusammenhalt mit den Kollegen.“ Die Gäste seien auch nicht anders als sonst, so der 28-Jährige. Um dann nach kurzer Pause anzufügen: „Naja, etwas ungewöhnlich war schon, dass gestern ein Mann direkt aus der Abtanzbar kam und um 8 Uhr in die Sauna wollte.“ Kombiniert mit dem traurigen Hinweis, dass sich seine Frau von ihm trennen will.

Udo hätte viele Songs, die ihn vielleicht trösten können. „Ich habe manchen Seelentreffer gelandet“, sagte er kürzlich dieser Zeitung. Und die erreichen ihr Ziel auch auf dem Rockliner. Von früh bis abends ist Udo präsent, als Doubles auf allen Decks, mit Musik in den Gängen, auf Toiletten, im Treppenhaus, in den Restaurants, in Videos, auf Bildern und in den Konzerten.

Zweieinhalb Stunden rockt das Panikorchester

Jeder, der den Rockliner bucht, ist bei einem rund zweieinhalbstündigen Auftritt des Panikorchesters dabei, erlebt, wenn Udo sein Ding macht, die Herzen der stolzesten Frauen bricht, seinem Body dankt und verspricht, dass es hinter dem Horizont weitergeht. Er schäkert und tänzelt mit Wackelknien über die Bühne, verteilt Mund-Küsse an seine Crew und wird bei den Balladen von der Panikfamilie lautstark unterstützt. Die Auftritte finden natürlich am Abend statt.

Einer wie Udo steht gewöhnlich erst gegen 15 Uhr auf, um dann allmählich wie eine Nachtigall zu trällern. Seit 2008 und dem millionenfach verkauften Album „Stark wie zwei“ ist er nach langem Tief wieder obenauf, zwei MTV-Unplugged-Alben stürmten die Spitze. Er ist beliebt wie nie, vor allem auch im Osten. Und der 73-Jährige wirkt ungemein fit. Wohl auch, weil er regelmäßig joggt, nach eigener Angabe nur noch kontrolliert trinkt, nachdem er mehrmals mit zu viel Alkohol im Körper auf der Intensivstation lag.

Auf dem Rockliner ist auch Schauspielerin Maria Furtwängler – die Tatort-Kommissarin – dabei, mit der er „Bist Du vom KGB?“ singt. Und gern hätte Udo im indianischen Deutsch eine weitere Zugabe präsentiert. Mit Clueso im Duett.Vielleicht klappt ja ein Wiedersehen bei der kommenden Tournee. Im Juni sind zwei Konzerte in der Messehalle in Erfurt. „Yeah“.