Berlin. Das Verteidigungsministerium erteilt einem Thüringer Hersteller einen Sturmgewehr-Großauftrag. Der bisherige Bundeswehr-Partner Heckler & Koch erwägt nun rechtliche Schritte.

Nachdem sich das Verteidigungsministerium bei einem Sturmgewehr-Großauftrag für einen Thüringer Hersteller entschieden hat, erwägt nun der bisherige Bundeswehr-Partner rechtliche Schritte einzuleiten.

"Vorbehaltlich einer ausgiebigen juristischen Überprüfung bedauern wir diese Entscheidung", erklärte der Vorstandsvorsitzende Jens Bodo Koch am Dienstag in Oberndorf im Schwarzwald. H&K sei weiterhin von der Qualität der Waffen überzeugt. Das Bundesverteidigungsministerium hatte am Dienstag mitgeteilt, dass sich der Thüringer Hersteller C.G.Haenel durchgesetzt hat bei dem Auftrag über 120.000 Gewehre.

Das Volumen der Ausschreibung liegt bei 245 Millionen Euro - dies beinhaltet die Gewehre, aber auch spezielle Visiere, Zielfernrohre und weitere Teile von anderen Firmen. Heckler & Koch beliefert die Bundeswehr seit 1959 mit Sturmgewehren, ein Ende ist nun absehbar. Die Thüringer Waffenschmiede C.G. Haenel - Neugründung einer Suhler Traditionsfabrik und als kleinerer Außenseiter in das Rennen gestartet - soll das neue Sturmgewehr liefern.

Nach dem dazu im Jahr 2017 begonnen Bieterverfahren informierten die Spitzen des Verteidigungsministeriums am Montag Fachpolitiker aus den Reihen der großen Koalition über das Ergebnis von Tests und Prüfserien, die unter Führung des Beschaffungsamtes (BAAINBw) liefen.

Im Ergebnis des Bieterverfahrens kommt der langjährige Lieferant Heckler & Koch (Oberndorf am Neckar) bei der Bestellung von 120.000 neuen Waffen im Umfang von wohl knapp 250 Millionen Euro nicht zum Zuge.

Heckler & Koch ist Hersteller des aktuellen Sturmgewehrs G36. Und um das hatte es in den zurückliegenden Jahren einigen Wirbel gegeben, der sich um die Treffgenauigkeit unter Extrembedingungen drehte - dem hochintensiven Feuerkampf mit langen Schussfolgen oder auch bei klimatischen Spitzen. Verteidigungsministerin von der Leyen verkündete 2015, „dass das G36, so wie es heute konstruiert ist, keine Zukunft in der Bundeswehr hat“. Da hatten sich Hersteller und Ministerium schon einige Blessuren geschlagen.

Und die Nerven lagen auch im Bieterverfahren offen. So hatte Heckler & Koch im vergangenen Jahr in einem als ungewöhnlich empfundenen Schritt mitten im laufenden Vergabeprozess das Ministerium kritisiert und in einem Schreiben an die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen eine Festlegung auf ein größeres Kaliber gefordert. Bemängelt wurde dabei auch, es gebe keine faire und sachkundige Auswahl für das G36-Nachfolgemodell.

Das Zusammenspiel von Gewicht, Lauflänge, Munition und Treffleistung ist bei Waffen technisch komplex. Das Kaliber der Munition bedingt Durchschlagskraft, aber begrenzt auch, wie viel Schuss am Mann mitgeführt werden können - des Gewichts wegen.

Thüringer Waffe erwies sich als technisch besser

Nur ist in der Ausschreibung kein Kaliber der Waffe festgelegt, allerdings ein Gewicht. Die Bundeswehr forderte in der Ausschreibung zudem ein Gewehr, das für alle Klimazonen geeignet ist. Von der Feuerkraft her muss es den Feind vorübergehend niederhalten können, also in die Deckung zwingen. In einer solchen Situation darf die Präzision schon mal hinter die Feuerkraft zurücktreten. Das Ziel muss aber bald darauf wieder mit hoher Wahrscheinlichkeit getroffen werden. Das ist eine Voraussetzung, um Unbeteiligte und Zivilisten nicht unbeabsichtigt zu treffen.

Nun der Paukenschlag: Die Waffe von Haenel hat sich - so heißt es am Montag - in den Tests als technisch etwas besser erwiesen, ist zugleich auch im Angebot „wirtschaftlicher“. Haenel liefert der Bundeswehr bereits ein Scharfschützengewehr. Das Unternehmen gehört zur Merkel Gruppe, die Teil der Tawazun Holding (Vereinigte Arabische Emirate) ist. Dass das heutige Unternehmen von arabischem Geld abhängig sein könnte, hat offenkundig nicht gestört. Im Jahr 2008 hatte C.G. Haenel den Betrieb als Neugründung wieder aufgenommen. Der einstige Gründer und Namensgeber Carl Gottlieb Haenel hatte von 1840 an die industrielle Waffenfertigung in Suhl etabliert.

Bitterer Tag für Heckler & Koch

Ein dritter Bieter - Sig Sauer (Eckernförde) - hatte sich noch aus der laufenden Ausschreibung zurückgezogen. Sig Sauer beklagte dabei eine Ungleichbehandlung und machte dies auch am beschränkten Zugang zu Testmunition fest, über die Heckler & Koch wegen anderer Lieferbeziehungen verfüge und daraus Vorteil ziehen könne.

Der Montag war nun ein bitterer Tag für Heckler & Koch. Das Unternehmen hat 1959 seine ersten Sturmgewehre an die Bundeswehr geliefert, das damalige G3. Zehn Jahre zuvor war es von ehemaligen Ingenieuren der Mauser-Werke gegründet worden. In den 90er Jahren erhielt H&K den Zuschlag für das Nachfolgegewehr des G3, das G36. Mit Maschinengewehren, Granatwerfern und modernisierten G36-Gewehren wird die Firma zwar auch künftig Geschäft machen mit der Bundeswehr, ausgerechnet in der Paradedisziplin der Oberndorfer, dem Sturmgewehr, kommt H&K bei dem neuen Modell nun aber wohl nicht mehr zum Zug.