Erfurt. Die Szene finanziert sich mithilfe von Veranstaltungen. Mobit fordert gesellschaftliche Ächtung.

Mindestens 70 Rechtsrock-Konzerte und rechte Liederabende sollen vergangenes Jahr in Thüringen organisiert worden sein. Keine der Veranstaltungen sei nach Beginn gleich wieder aufgelöst worden, in sechs Fällen seien Konzerte vor Beginn „verhindert“ worden. Das besagen Recherchen der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (Mobit), die am Freitag veröffentlicht wurden.

Damit sei die Anzahl rechtsextremer Konzerte im Freistaat noch mal um elf gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Neonazi-Konzerte in szeneeigenen Immobilien seien in Thüringen mittlerweile Alltag, so Mobit-Experte Stefan Heerdegen. „Wir fordern eine breite gesellschaftliche Ächtung, damit mittelfristig Rechtsrock nicht als normaler Bestandteil eines regionalen Musikangebots wahrgenommen wird“, erklärte er.

Anzahl rechtsextremer Liederabende nimmt zu

Welche Funktion diese Konzerte in der Neonazi-Szene haben, verdeutlichte in der Vorwoche ein Zeuge im NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags. Die Musik habe die Ideologie verstärkt. Veranstaltungen und Konzerte hätten aber auch dazu gedient, die Szene miteinander zu verschmelzen, weil sich Leute aus den verschiedenen Bundesländern treffen konnten, sagte er. Der Zeuge war in den 1990er-Jahren erst Skinhead und später auch in der Thüringer NPD, bevor er sich 2007 in der Motorradrocker-Szene angeschlossen hatte.

Mobit beobachtet vor allem zwei Tendenzen: Die Anzahl rechtsextremer Liederabende nimmt zu. Darüber hinaus wird versucht, die Konzerte immer stärker zu mehrtägigen Events zu entwickeln. Beispiele dafür seien der „Tag der nationalen Bewegung“ im Juni vergangenen Jahres in Themar (Kreis Hildburghausen) und das im Oktober bei Magdala (Weimarer Land) verhinderte Rechtsrockkonzert. Alternativ trafen sich damals die Neonazis auf dem Marktplatz in Apolda.

Nach Informationen dieser Zeitung vermuten die Sicherheitsbehörden, dass sich die Szene über Konzerteinnahmen mit finanziert. Alleine beim bisher größten deutschen Rechtsrock-Konzert im Juli 2017 in Themar – mit mehr als 6000 Teilnehmern – könnte ein niedriger sechsstelliger Betrag an Einnahmen angefallen sein.

Einnahmen soll die Szene zudem aus den zahlreichen in Thüringen ansässigen Online-Shops beziehen, über die Tonträger aller Art aber auch szenetypische Kleidung und Devotionalien vertrieben werden.

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