Erfurt. Müllautos dürfen in zwölf engen Sackgassen in Erfurt nicht mehr rückwärts fahren. Die Tonnen müssen von Anwohnern zum Standplatz gebracht werden.

Im Kühnhäuser Weg in Tiefthal sind die Anwohner sauer. Der Sperrmüll wird nicht mehr abgeholt. Man möge die Sachen doch bitte zu einem zentralen Platz am Straßenbeginn bringen, wurde am Telefon von einem Stadtwirtschaftler bedeutet. Acht Jahre hat das geklappt. Warum jetzt nicht mehr? Die Frage steht im Raum und beantworten kann das nur die Stadtwirtschaft.

Unfallversicherung verbietet Rückwärtsfahrten

Mario Engelhardt ist Sachgebietsleiter Tourenplanung bei der Stadtwirtschaft. 2016 kam Post ins Haus. Von der Unfallversicherung. Man unterrichtete die Entsorgerwirtschaft bundesweit, dass ab dem 21. Oktober die Branchenregel „Abfallsammlung“ gilt. Eine Zusammenfassung geltenden Rechts im Arbeitsschutz. Inhalt: Wenn es die örtlichen Gegebenheiten nicht hergeben, ist es künftig Entsorgungsfahrzeugen untersagt, rückwärts zu fahren. Also in Sackgassen und wenn kein Wendehammer vorhanden ist. Egal, ob es normaler Müll oder Sperrmüll ist. Grund dafür war die Häufung von Unfällen. Die Zahl 3000 schwirrte im Raum umher. Sollte man sich nicht daran halten und würde etwas passieren, so werde die Unfallversicherung wohl nicht zahlen, so die unterschwellige Drohung.

Stadtwerke legten Straßenkataster an

Die Erfurter Stadtwerke legten mit dem Umweltamt ein Straßenkataster an. Basierend auf den Erfahrungen ihrer Leute, die in der Kernstadt und den Ortsteilen den Müll abholen. „Wir haben alle in Frage kommenden Straßen begangen und vermessen“, versichert Engelhardt. Am Ende blieben 15 Straßen übrig, an denen aus diesem Grund kein Müll mehr abgefahren werden kann, auf zwölf Straßen trifft das beim Sperrmüll zu. In beiden Fällen dürfen die Müllautos dort definitiv nicht mehr rückwärts fahren.

Fünf Kriterien sind maßgebend

Fünf Kriterien waren für das Verbot maßgebend. An beiden Seiten des Müllfahrzeugs muss jeweils ein Sicherheitsabstand von einem halben Meter gegeben sein. Die Strecke, die im Rückwärtsgang befahren werden sollte, darf maximal 150 Meter lang und mindestens 3,55 Meter breit sein. Die Sicht durch die Rückspiegel darf nicht verstellt sein. Einweiser dürfen sich nur im Sichtbereich des Fahrers aufhalten. Und sie sollten wegen der Sturzgefahr nicht rückwärtsgehen. Weil der Fahrer nicht hinter das Auto sehen kann. Und weil es immer wieder zu schweren Unfällen mit Einweisern und auch Unbeteiligten gekommen sei. Auch in Erfurt starb 2010 bei einem solchen Unfall eine Seniorin, die von einem rückwärtsfahrenden Müllauto überrollt wurde. Ähnlich gelagerte Fälle sind bundesweit dokumentiert.

Stadtplaner achten zu wenig auf Müllentsorgung

Grund genug, sich Gedanken zu machen. Das sei schon passiert, wirft Ivo Dierbach, Sprecher der Stadtwirtschaft, ein. Es wurde extra ein kleineres Müllauto mit einem kleineren Wendekreis angeschafft. Es entsorgt 28 sehr enge Straßen in Erfurt. Und es zeigte sich in den Überlegungen, dass die Stadtplaner ihre Hausaufgaben zuweilen nicht ordentlich gemacht hatten. Grund genug für Dierbach, zu appellieren, das mit zu berücksichtigen bzw. die Entsorger mit einzubeziehen, wenn man z.B. Neubaugebiete entwirft.

Abholservice in drei Kategorien

Wer in diesen Straßen wohnt, die nicht mehr angefahren werden, hat künftig seine Mitwirkungspflicht zu erfüllen. Soll heißen, seine vollen Tonnen und auch seinen Sperrmüll zu einem mit den Ämtern festgelegten Sammelplatz zu bringen und die Tonnen von dort nach der Leerung auch wieder abzuholen. Es sei denn, man bestellt sich auf ausdrücklichen persönlichen Wunsch einen kostenpflichtigen Abholservice - den man übrigens generell im ganzen Stadtgebiet beauftragen kann. Der unterteilt sich in drei Kategorien. Kategorie 1: alle vier Tonnen bis zu 20 Meter Fußweg abholen und bringen: 255 Euro per anno. Müssen dabei auch Türen geöffnet werden, kostet es 500 Euro. Bis 40 Meter Entfernung werden 500 bzw. 745 Euro fällig. Maximal 100 Meter Strecke schlagen mit 1250 bzw. 1500 Euro zu Buche. Der Service

Sperrmüll muss definitiv selbst zum Sammelplatz gebracht werden

Der Vollservice trifft bei Sperrmüll nicht zu. Dort greift die Mitwirkpflicht zu 100 Prozent. Leidtragende sind die Bewohner von 15 engen und sehr engen Straßen in und um Erfurt. Und eben auch im Kühnhäuser Weg in Tiefthal.

Hier die Liste der betroffenen Straßen, die jedoch noch nicht abschließend behandelt ist. Zum Teil laufen Klagen gegen die Entscheidung der Stadtwirtschaft. In einzelnen Fällen sind auch nur einzelne Hausnummern oder Straßenteilabschnitte betroffen.

Normaler Müll:

Mittelmühlgasse (Brühler Vorstadt), August-Röbling-Straße (Gispersleben), Das Singerfeld (Salomonsborn/Teilstück), Am Kreuzbiel (Tiefthal) , An den Linden (Tiefthal), Fischmarkt 1 (Altstadt), Hamburger Berg (Bischleben), Am Loh (Bischleben), Löwenzahnweg (Urbich), Charles-Darwin-Straße (Windischholzhausen), Lindenallee (Vieselbach) , Alte Schulgasse (Vieselbach), An der Hausmühle (Mittelhausen), Zur Schwedenschanze (Brühlervorstadt), Zum Trucktal (Marbach).

Sperrmüll:

Feuergasse (Mittelhausen), Am Roten Hof (Bischleben), Meßstieg (Mittelhausen). Zur Ullrichskirche (Urbich), Amselweg (Egstedt), Palmberg (Molsdorf), Auf der Melm (Wiesenhügel), Wielandstraße (Löbervorstadt), Daberstedter Weg (Daberstedt), In der Linde (Bischleben), Hamburger Berg (Bischleben), Am Steinbach (Bischleben)