Martin Debes über eine Tolerierung, aus der mehr werden könnte.

Die verschobene Neuwahl in Thüringen hat Folgen. Die wichtigste: Hundertausende Menschen – Parteimitglieder, Wahlhelfer, Wähler – müssen nicht auf Versammlungen oder später im Wahllokal damit rechnen, sich in der zweiten Pandemiewelle mit dem Corona-Virus anzustecken.

Auch die meisten Landtagsabgeordneten werden sich kaum ärgern, dass sie bis zum Bundestagswahltermin am 26. September ein sicheres Mandat haben.

Doch für viele Parteien wächst die Ungewissheit. Die Linke muss fürchten, dass im Bundestagswahlgetöse ihr Ministerpräsident schlechter durchdringt. In der FDP könnte der interne Zwist zwischen Bund und Land eskalieren. Und selbst die Grünen, die auf den Bundestrend hoffen, müssen den Spagat zwischen Rotregieren in Erfurt und Schwarzflirten in Berlin hinbekommen.

Die Thüringer CDU hofft zumindest noch darauf, dass der Markus Söder den Kanzlerkandidaten macht und nicht Armin Laschet. Mit dem ostfremdelnden Rheinländer ist jedenfalls in Thüringen kein Wahlkampf zu machen.

Gleichzeitig muss sie, um jede AfD-Nähe zu vermeiden, die rot-rot-grüne Minderheitsregierung noch bis zum Sommer tolerieren, was aber, pssst, niemand laut sagen darf. Er, dessen Name nicht genannt werden darf, ist neuerdings ein „Corona-Pakt“.

Einen Vorteil aber hat der gemeinsame Wahltermin für die Union. Falls es auch danach keine Mehrheit im Thüringer Landtag geben sollte, wird sie freier mit der Linken verhandeln können. Ohne größere Rücksichten auf Berliner Befindlichkeiten – und vielleicht auch ohne verbale Verrenkungen.