Erfurt. Thüringen ist nach wie vor das Bundesland mit den meisten Corona-Neuinfektionen, ein weiterer Lockdown steht unmittelbar bevor. Der Chefredakteurnewsletter vom Donnerstag.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

vielen Dank für Ihre vielen Rückmeldungen. So viele habe ich auf diesen Newsletter noch nie erhalten. Sehen Sie es mir nach, wenn ich noch nicht auf alle geantwortet habe. Ich kann Ihnen aber ein eindeutiges Stimmungsbild übermitteln. Differenziert in der Beurteilung aber eindeutig in der Konsequenz. Die meisten würden sich mit Astrazeneca impfen lassen wollen. Auch dies ist, wie ich gestern betonte, keine Empfehlung, sondern ein Stimmungsbild. Ich hoffe sehr, dass es bald eine klare wissenschaftliche Einschätzung zum Einsatz von Astrazeneca gibt. Viele Menschen wollen geimpft werden. Aus egoistischen aber auch aus Gründen, die für die Gesellschaft relevant sind. Jeder geimpfte Mensch mehr, schützt ein Vielfaches an anderen Menschen. Wir tragen also nicht nur für uns selbst, sondern für eine ganze Gesellschaft, oder auch Gemeinschaft, die Verantwortung. Starten wir in den Tag.

Rückblick

Der nächste Lockdown steht bevor

Schaut man sich die Zahlen der Neuinfektionen an, stehen wir kurz vor dem nächsten Lockdown. Wir sind mitten im exponentiellen Wachstum. Und da die Inzidenz noch immer das Maß für alle Maßnahmen beziehungsweise Lockerungen ist, kann dies nur folgerichtig sein. Denn, so viel persönliche Meinung sei an dieser Stelle erlaubt, gibt es weder einen befriedigenden Impffortschritt noch eine existente Teststrategie oder eine funktionierende Kontaktnachverfolgung. Und diese drei Parameter (Impfen, Testen, Nachverfolgung) bilden die Grundlage für alle Stufenpläne oder sonstige politisch benannten Konstrukte, die uns den Weg aus der Krise aufzeigen sollen.

Daher denke ich, dass wir uns wohl in spätestens 14 Tagen auf den nächsten Lockdown einstellen müssen, sollte sich nicht auf wundersame Weise etwas ändern.

Aus einer epidemiologischen Notsituation wird zunehmend eine politische Krise. Und das sage ich aus Sicht eines Beobachters. Man mag jetzt raunen, das kann ja jeder sagen, der keine Entscheidungen treffen muss. Es gibt auch diesen schönen Spruch: Nach der Schlacht ist jeder General. Es ist eben ein Befund. Und wir Journalisten befinden uns seit Monaten in einer Ausnahmesituation, in der wir misslungene politische Kommunikation - man könnte auch von einem Desaster sprechen - für Leser wie Sie übersetzen, einordnen und in die Lebenswirklichkeit übertragen müssen, damit überhaupt Botschaften bei den normalen Menschen wie uns ankommen.

Aber wir befinden uns in einer Situation, in der die meisten Menschen müde sind, frustriert, kein Licht mehr am Ende des Tunnels sehen, die ständigen Vertröstungen auf noch ein paar schwere Wochen leid und vielleicht sogar pleite sind. Ohne wirkliche Perspektive. Daher ist diese, meine Einschätzung, ein Befund der gegenwärtigen Lage. Es geht längst nicht mehr darum, ob das Coronavirus gefährlich ist. Das ist gesamtgesellschaftlich gesehen mehrheitlicher Konsens. Die meisten Debatten drehen sich um - vor allem politische - Fehlentscheidungen, die in der Vergangenheit liegen. Während des Sommers 2020 hätte das Impfen, Testen und Nachverfolgen verlässlich organisiert werden müssen! Das hat nicht stattgefunden. Debatten von damals werden nun erneut geführt, Forderungen wiederholt. Mitten in der heftigsten Welle, die Thüringen bisher getroffen hat. Es geht also um politisches Versagen. Um kommunikatives Versagen seitens der Bundesregierung, der Landesregierung und des Ministerpräsidenten in Person von Bodo Ramelow.

So viel zur Retrospektive. Aktuell sehen wir uns im Hotspot Deutschlands mit einer besonderen Situation konfrontiert, wie mein Kollege Elmar Otto weiß.

"Immer größere Verzweiflung"

Nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat das Präsidium der Erfurter Industrie und Handelskammer „verlässliche Perspektiven für eine Rückkehr zum normalen Wirtschaftsleben“ gefordert. Es gebe eine „zunehmende Erschöpfung der Bevölkerung und eine immer größere Verzweiflung zahlreicher Betriebe“, schreibt mein Kollege Martin Debes.

Ausblick

Thüringer CDU büßt stark ein

So würden die Menschen in Thüringen wählen, wäre am Sonntag Landtagswahl.
So würden die Menschen in Thüringen wählen, wäre am Sonntag Landtagswahl. © FMG | Andreas Wetzel

Erlebt der Schlumpf vielleicht doch noch eine Renaissance? Sie erinnern sich an den Spruch von Markus Söder (CSU) in Richtung Olaf Scholz (SPD) während der letzten MPK? Er solle nicht so schlumpfig grinsen, soll er ihn angepammt haben. Jedenfalls verliert hierzulande der Schlümpfe-hassende-"Gargamel-Clan" Thüringens (in unserem Fall die CDU, und - falls bekannt - mit Mario Voigt an der Spitze) und Thüringens Schlumpf-Clan (die SPD, und - falls bekannt - mit Georg Maier an der Spitze) legt zu.

Erlauben Sie mir eine Bemerkung dazu: Ich finde das Bild, des immer siegenden Schlumpfes, vor allem des Papa-Schlumpfes, das Markus Söder der SPD geliefert hat, als außerordentlich plakativ. Also allgemein auf des im Faustchen Sinne im Pudels Kern Vermittelbare kann es doch schlechtere Metaphern für einen Wahlkampf geben.

Warum es derzeit schlecht um die Thüringer CDU bestellt, sogar die Landtagswahl fraglich ist und wie die neue Umfrage für Thüringen zu bewerten ist, lesen Sie hier.

Kultusminister beraten über Situation an Schulen

Die Kultusminister der Länder beraten heute über die Corona-Lage und die Situation an den Schulen. Vor dem Hintergrund steigender Ansteckungszahlen sind die Pläne, auch für ältere Schüler wieder Unterricht an den Schulen anzubieten, regional zum Teil ins Stocken geraten.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!

Ihr Jan Hollitzer
Chefredakteur
Thüringer Allgemeine

Schreiben Sie mir: j.hollitzer@thueringer-allgemeine.de