Martin Debes über den Streit um die Wahl in Thüringen.

Jetzt ist also offiziell, was monatelang vermutet wurde: Vier Abgeordnete der CDU wollen nicht für die Auflösung des Landtags stimmen. Damit ist die für den 26. September geplante Neuwahl akut gefährdet, denn damit fehlt der unfreiwilligen Allianz aus CDU und Rot-Rot-Grün eine Stimme zur nötigen Zweidrittelmehrheit.

Warum tun die Abgeordneten das? Schließlich bliebe ohne Neuwahl der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow mindestens bis 2024 im Amt.

Die Mutmaßung, dass es um ihre Mandate geht, könnten zumindest drei der vier Abgeordneten kaum glaubhaft dementieren. Dennoch ist es wohl nicht ihr Hauptmotiv.

Vielmehr erklärt sich ihr Verhalten aus alten Verletzungen und Vernetzungen. Ihr Manöver fügt sich nahtlos in die Machtkämpfe ein, unter denen die Thüringer CDU seit Jahrzehnten leidet und die sie erst in die aktuelle Situation geführt haben.

Die Wahlniederlage von 2019, die Wahl Thomas Kemmerichs gemeinsam mit AfD und FDP, das Notbündnis mit Rot-Rot-Grün: All dies ist das traurige Resultat von aus gegenseitigem Misstrauen getroffenen Fehlentscheidungen.

Und nun? Bernhard Vogel will Christina Tasch einen Besuch abstatten. Auch Armin Laschet führt längst Telefonate. Doch was dies bringt, ist ungewiss.

Aber, wer weiß: Am Ende könnte ausgerechnet Kemmerich mit den Stimmen seiner FDP dafür sorgen, dass die leidige Geschichte, die mit seiner Ministerpräsidentenwahl eskalierte, doch noch einen halbwegs würdigen Abschluss findet. Die Umfragen für seine Landespartei sind gut, bei einem Erfolg dürfte er sich rehabilitiert fühlen.

Es wäre, das stimmt natürlich, eine bemerkenswerte, geradezu groteske Wendung. Aber groteske Wendungen haben in Thüringen bekanntlich Tradition.