Erfurt. Während Thüringen in Vietnam um Azubis wirbt, soll eine angehende Altenpflegerin abgeschoben werden.

Hong Thi Phung kommt aus Vietnam, ist gelernte Krankenschwester mit erklärtem Interesse für die Altenpflege. Menschen wie wurden gerade während der Vietnamreise von Ministerpräsident Bodo Ramelowheftig umworben.

Ginge es nach ihr, würde sie nächstens am Erfurter Pflegezentrum ihren Abschluss als Altenpflegehelferin abschließen und dann die Ausbildung zur Fachkraft beginnen.

Ginge es nach der Erfurter Ausländerbehörde, wäre Hong Thi Phung schon seit einigen Wochen zurück in Vietnam. Das Papier, das sie zur Ausreise auffordert, heißt im schönen Beamtendeutsch „Grenzübertrittsbescheinigung“.

Schwierigkeiten mit der Sprache

Die verwickelte Geschichte begann im Oktober 2017, als Hong Thi Phung in Berlin eine Ausbildung zur Altenpflegerin aufnahm. Grundlage für Visum und Arbeitsvertrag war die Vereinbarung zwischen Deutschland und Vietnam, die seit 2013 eine solche Ausbildung von Fachkräften regelt. Eine Qualifikation und neue Horizonte – für sie war diese Vereinbarung eine einmalige Chance, sagt sie.

Aber es lief nicht gut in Berlin. Es gibt sicher viele Gründe, warum es zwischen Betrieb und Azubi nicht funktioniert. Doch das Hauptproblem, sagt die junge Frau, waren Schwierigkeiten mit der Sprache. In Vietnam hatte sie zwar Deutsch bis zum erforderlichen Niveau gelernt, doch wie groß die Lücken waren, zeigte erst der Alltag. Anfang Februar bekam sie ihre Kündigung.

Mit der Kündigung erlosch auch das Aufenthaltrecht in Deutschland. Sie hätte nach Vietnam zurückkehren, und sich von dort aus um einen neuen Ausbildungsbetrieb und ein Visum kümmern müssen. So sind die Regeln.

Eine klare Schwachstelle in den Vereinbarungen, bemerkt Nguyen Thi Ung, die seit vielen Jahren für die Evangelische Kirche in Erfurt Ausländer berät. Fälle, bei denen eine Ausbildung abgebrochen oder gekündigt wird, kämen zwar selten vor, trotzdem müsse hier dringend nachgebessert werden.

Behörde nur mit größter Willenskraft erreichbar

Hong Thi Phung selbst war diese Klausel damals nicht klar, sagt sie. Erst recht nicht die harten Konsequenzen. Sie wollte nicht einfach so aufgeben. Über die vietnamesische Gemeinde und einen Vermittler stieß sie auf das Bildungswerk für Gesundheitsberufe in Erfurt, mit dem wiederum das „Pflegezentrum Erfurt Arnold & Wilhelm“ zusammenarbeitet. Das sucht wie alle Pflegezentren und Heime händeringend nach Fachkräften. Und es arbeitet dabei viel mit Jugendlichen zusammen, denen Ausbildung schwerer fällt , als anderen. Weil sie Probleme mit dem Lernen haben oder wie Hong Thi Phung mit der Sprache. Man könnte auch sagen: Sie haben dort Erfahrungen mit komplizierteren Fällen. Die Betreuung ist engmaschig und persönlich.

Weshalb Verwaltungschef Florian Namuth auch nicht viel auf die fristlose Kündigung des Berliner Heims gab. Schon im ersten Gespräch habe er den Eindruck gehabt, dass Frau Phungs Handicap fehlende Sprachkenntnis ist.

Bei uns, bemerkt er, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht verzweifelte Angehörige anrufen, weil sie Pfleger für Eltern oder Großeltern brauchen. Er fand, dass alle Seiten etwas davon hätten, wenn die junge Frau eine zweite Chance erhält. Am ersten September begann sie in Erfurt eine Ausbildung. Zunächst ein Jahr zur Hilfspflegerin, dann soll sich eine Ausbildung zur Pflegefachkraft anschließen. Auch dieser Vertrag ist unterschieben. Das Ausbildungskonzept des Pflegzentrums geht auf.

Unterdessen wuchs die Angelegenheit der jungen Vietnamesin zu einem veritablen, und weil dazwischen auch ein Umzug nach Erfurt lag, recht komplexen ausländerrechtlichen Fall heran. Ein Anwalt, den sie sich auf Anraten des Arbeitsvermittlers nahm, focht ihn für sie mit den Ausländerbehörden von Berlin und Erfurt aus, die auf der Ausreisepflicht bestanden.

Beharrlich und vergeblich

Florian Namuth seinerseits hatte sich um Kontakt zur Erfurter Ausländerbehörde bemüht, um Sicherheit zu haben. Beharrlich und vergeblich. Auf E-Mails gab es lange keine Antwort, erinnert er sich, ans Telefon ging auch niemand. Seit dort nur noch auf digitalem Weg Termine vergeben werden, ist die Behörde nur mit größter Willenskraft erreichbar, bemerkt er.

Lange hörte er nichts in der Angelegenheit, bis ihm seine Auszubildende Frau Phung am 1. Februar über die „Grenzübertrittsbescheinigung“ informierte. Er ging zur Ausländerbehörde, versuchte zu vermitteln, zu erklären, erzählte von den Fortschritten der Ausbildung. Vergeblich. Auch eine Klage vor dem Meininger Verwaltungsgericht gegen den Beschluss scheiterte. Jetzt liegt der Fall vor der Härtefallkommission.

Das ist, in groben Zügen, der Stand der Dinge.

Der ist natürlich eine Konsequenz aus geltenden Vorschriften und Gesetzeslagen. Die Frage, ob vielleicht ein Ermessensspielraum nicht ausgeschöpft wurde, lässt die Ausländerbehörde Erfurt mit Verweis auf Datenschutz unbeantwortet.

Für Florian Namuth stellt sich das Ganze so dar: Da ist eine junge Frau, die in die Altenpflege will. Da ist ein Betrieb, der sie braucht und eine Ausbildung, die Fortschritte macht. Was will man mehr? Ist das Anliegen wichtiger oder die Verwaltungsvorschrift? Gute Frage.