Erfurt. Vor allem bei der Suche nach Wohnung und Arbeit spüren Flüchtlinge in Thüringen Benachteiligung. Dies ist eins von mehreren Ergebnissen einer Studie der Universität Jena.

Nicht einmal die Hälfte der in Thüringen lebenden Flüchtlinge ist mit dem persönlichen Lebensstandard zufrieden. Das ergab eine Studie der Universität Jena im Auftrag der Landesregierung, die diesen Dienstag im Kabinett beraten wird. Sie liegt dieser Zeitung vor.

Die Werte korrespondieren offenbar mit den Antworten zur „allgemeinen Lebenszufriedenheit“, die ähnlich negativ ausfielen. Die Zufriedenheitswerte der Thüringer liegen hingegen seit Jahren bei 90 Prozent.

Für den „Thüringen-Monitor Integration“ wurden von den Wissenschaftlern die Fragebögen von gut 900 erwachsenen Migranten ausgewertet, die zwischen 2013 und 2018 ins Land kamen. Dabei handelte es sich fast zur Hälfte um Menschen aus Syrien. Ein gutes Viertel stammte aus Afghanistan, gut 13 Prozent aus dem Irak.

Rund 71 Prozent waren Männer, das Durchschnittsalter lag bei knapp 32 Jahren. Insgesamt leben etwa 30.000 Geflüchtete in Thüringen.

Mehrheit fühlt sich von Polizei gut behandelt

Nur jeder zehnte Syrer gab an, keine Ausbildung absolviert zu haben. Mehr als ein Drittel verfügt nach eigener Auskunft über einen Abiturabschluss, 17 Prozent haben studiert. Der Rest hat zumindest Grund- oder Mittelschule besucht. Bei den afghanischen Geflüchteten war das Bild dramatischer: Fast die Hälfte erklärte, keinerlei Abschluss zu besitzen. Nur 29 Prozent haben einen Mittelschulabschluss oder Abitur. Im Gesamtdurchschnitt ist jeder fünfte Flüchtling ohne Abschluss.

Grafik : Andreas Wetzel
Grafik : Andreas Wetzel © zgt

Die Autoren verweisen darauf, dass die Größe der befragten Gruppe Generalisierungen zulasse, aber nicht vollständig repräsentativ sei. Die Befragung selbst wurde von arabischen und persischen Muttersprachlern durchgeführt. Dabei handelte es sich vor allem um Studenten.

Die Integration in den Arbeitsmarkt ist für Flüchtlinge laut der Umfrage besonders wichtig. Doch gerade bei der Suche nach dem Job – und einer Wohnung – machte die Mehrheit der Befragten laut der Studie „herkunftsbezogene Diskriminierungserfahrungen“. In anderen Lebensbereichen, etwas beim Einkaufen, im öffentlichen Nahverkehr oder bei Kontakt zu Behörden, hatten 37 bis 45 Prozent der Geflüchteten das Gefühl, wegen ihrer Herkunft herabgesetzt zu werden. Allerdings berichten hier nur 10 bis 16 Prozent von schweren Diskriminierungen. Am besten schneidet übrigens die Polizei ab. Von ihr fühlten sich drei Viertel gut behandelt.

Insgesamt wollen zwei Drittel der Befragten im Alltag respektlose Behandlung erlebt haben, weil sie keine Deutschen seien. Die Hälfte berichtete von Beleidigungen und Beschimpfungen. Mehr als jeder Zehnte sprach von körperlichen Angriffen. Allerdings gab jeweils die große Mehrheit an, dass diese Fälle eher selten vorkamen.

Junge Erwachsene blicken pessimistischer in die Zukunft

Die Wissenschaftler attestierten jungen Erwachsenen die größten Schwierigkeiten bei der Integration. Sie seien stärker psychisch belastet, zeigten eine geringere Lebenszufriedenheit und blickten pessimistischer in die Zukunft. Besorgniserregend bewertete man ihre Tendenz zur kulturellen Abgrenzung.

Eine großer Teil der syrischen Flüchtlinge ist negativ gegenüber Homosexuellen, Israelis und „ungläubigen Personen“ eingestellt. Auf der anderen Seite sind die Sympathiewerte für Christen hoch. Von allen fremden Nationalitäten bewerten die Befragten im Durchschnitt trotz Diskriminierungserfahrungen die Deutschen am höchsten.

Wie geht es Flüchtlingen in Thüringen? Eine Studie versucht, Antworten zu geben

Leitartikel: Die Pflicht, zu differenzieren