Erfurt. In Thüringer Museen liegen viele Gegenstände, die von der deutschen Kolonialgeschichte erzählen. Eine Grüne-Landtagsabgeordnete wirbt für einen neuen Umgang mit diesem Erbe.

Aus den Reihen der Thüringer Grünen kommt die Forderung nach einem neuen Umgang mit dem kolonialen Erbe des Landes. Dabei müsse auch geprüft werden, welche der in Thüringen vorhandenen Gegenstände der Kolonialzeit etwa an afrikanische Länder zurückgegeben werden könnten, sagte die Grüne-Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling der dpa. „Immerhin hat man das mit im Nationalsozialismus geraubter Kunst auch gemacht“, sagte sie.

Bei einzelnen Teilen der entsprechenden Sammlungen – wie etwa menschlichen Schädeln – müssten die Verantwortlichen schauen, ob sie wenn schon nicht zurückgegeben, so doch wenigstens in Deutschland angemessen bestattet werden könnten. „Es ist teilweise pietätlos, was sich in den Sammlungen noch findet“, sagte Henfling. „Da haben wir eine Verantwortung, die wir nicht wahrnehmen.“

In der Antwort der Thüringer Staatskanzlei auf eine Kleine Anfrage Henflings ist aufgelistet, welche Museen oder Stiftungen im Freistaat ein koloniales Erbe verwalten oder sogar ausstellen.

Nicht immer ist eindeutig, wann die einzelnen Stücke nach Thüringen gekommen sind. So heißt es zum Beispiel über Bestände der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha, die Art der Erwerbung und genaue Herkunft der „Sammlung Ethnographie“ sei nur unzureichend erforscht. Da die 2400 Exponate der Sammlung aus Asien, Afrika, Amerika und Europa nach Angaben der Staatskanzlei vor allem im 19. Jahrhundert zusammengekommen sind, liegt zumindest der Verdacht nahe, dass auch Gegenstände aus den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten dabei sind.

Die Stiftung Schloss Friedenstein beherbergt zudem den Angaben nach eine Sammlung von etwa 30 menschlichen Schädeln, die Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der Schenkung eines niederländischen Arztes ins Land gekommen sind. Die Ägyptensammlung der Stiftung beinhaltet zudem vier vollständige menschliche Mumien und einige Mumienteile.

Unter anderem auch beim Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie lagerten „noch weitere Skelettreste mit vermutetem kolonialen Zusammenhang“, heißt es in der Antwort der Staatskanzlei auf die Anfrage Henflings. Auch in einigen anderen Museen und Sammlungen finden sich etwa einzelne Alltagsgegenstände, Waffen und mehr mit Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte.

Wie andere europäische Großmächte des 19. und 20. Jahrhunderts verfügte Deutschland über Überseekolonien, die das Kaiserreich – anders als etwa Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande - erst vergleichsweise spät erwarb. Die deutschen Kolonien lagen vor allem in Afrika. Am Ende des Ersten Weltkrieges verzichtete Deutschland 1919 mit dem Versailler Vertrag auf diese Überseegebiete.

Henfling sagte, auch Schullehrpläne im Freistaat müssten überarbeitet werden, um das Thema umfassender in den Blick zu nehmen. Bislang werde dort fast nur die Perspektive der ehemaligen Kolonialherren behandelt. Die Menschen, die vom europäischen und deutschen Kolonialismus betroffen gewesen seien, würden dagegen kaum vorkommen.

Zudem sei es nötig, Lehrer mehr für das Thema Kolonialgeschichte zu sensibilisieren, sagte Henfling. Dazu müsse auch die universitäre Ausbildung der Lehrer verbessert werden. „Das ist nicht mit einer Weiterbildung getan“, sagte sie.

Henfling vermutet auch einen Zusammenhang zwischen einer mutmaßlich unausgeglichenen Darstellung der deutschen Kolonialgeschichte und Erkenntnissen aus dem aktuellen Thüringen Monitor: Demnach glaubt etwa jeder dritte Thüringer, die Deutschen hätten im Laufe ihrer Geschichte unvergleichliche Großtaten geleistet.

In der repräsentativen Studie hatten in diesem Jahr 34 Prozent der Befragten der Aussage „Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran“ zugestimmt. Dieser Wert ist deutlich höher als bei vergleichbaren Befragungen des Thüringen Monitors aus den vergangenen Jahren.