Viele Frauen trauen sich nach einem Sexualdelikt aus Scham oder Angst nicht zur Polizei. Für spätere Anzeigen brauchen sie aber gerichtsfeste Beweise.

In Thüringen ist noch immer unklar, wann die vertrauliche Spurensicherung für Opfer von Sexualstraftaten landesweit starten kann. Seit der Aufnahme des Verfahrens als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen kämen die Verhandlungen über die Vergütung zwischen Land, Kassen und Universitätsklinikum Jena nur sehr zäh voran, sagte die Landesgleichstellungsbeauftragte Gabi Ohler der Deutschen Presse-Agentur. Dies hänge vor allem mit lückenhaften bundesgesetzlichen Regelungen zusammen.

Hier fehle es an eindeutigen Vorgaben für den Fall, dass sich die Verhandlungspartner nicht einigen könnten und eine Schlichtungsstelle angerufen werden müsse. So sei nicht geregelt, wer in einem solchen Fall die Entscheidungsbefugnis habe. «Das Gesetz ist so gestrickt, dass die Länder keine Durchsetzungskraft haben.» Weil das Problem nicht nur Thüringen betreffe, bestehe Nachbesserungsbedarf.

Anzeigen auch Jahre nach der Tat möglich

Die vertrauliche Spurensicherung soll Opfern sexualisierter Gewalt ermöglichen, Täter auch Jahre nach der Tat anzuzeigen - wenn sie sich unmittelbar nach der Tat dazu nicht in der Lage fühlen. Dafür sichern Ärzte gerichtsfest Körperflüssigkeiten und dokumentieren Verletzungen. Die Beweisstücke werden archiviert und können so auch später noch zugeordnet werden.

In Thüringen war die Einführung bereits für 2020 geplant. «Es war auch Geld vom Land dafür vorgesehen», sagte Ohler. Mit der ebenfalls 2020 an die Kassen ergangenen Finanzierungsverantwortung sei die Finanzierung durch das Land aber nicht mehr möglich.

Streit um Finanzierung

In Thüringen soll die vertrauliche Spurensicherung durch die Rechtsmediziner des Jenaer Uniklinikums übernommen werden. Streitpunkte bei den Verhandlungen dazu waren oder sind Ohler zufolge etwa die Übernahme von Bereitschafts- und Fahrtkosten. Grundsätzlich hätten alle Beteiligten den festen Willen, in diesem Jahr mit der vertraulichen Spurensicherung zu beginnen, so die Beauftragte. Geplant sei dies nun zunächst im Raum Jena als Modellregion.

Ohler vermisst in den Bundesregelungen auch eine Lösung für privat krankenversicherte Vergewaltigungsopfer. «Sie bekommen Arztrechnungen in der Regel nach Hause geschickt, damit wäre keine Vertraulichkeit gewahrt.»

Mit den Problemen bei der vertraulichen Spurensicherung beschäftigt sich Ohler zufolge im Juni die Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz der Bundesländer. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei in Thüringen laut Kriminalstatistik fast 2800 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst.

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