Moskau. Ihm drohen 30 Jahre Haft: Alexej Nawalny wird erneut der Prozess gemacht. Die Vorwürfe - nebulös. Seine Anhänger wollen protestieren.

An diesem Mittwoch um 11 Uhr soll sie beginnen, die Vorverhandlung zum nächsten Prozess gegen den inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny. Verhandelt wird hinter verschlossenen Türen, die Öffentlichkeit ist nicht zugelassen. Fraglich, ob Nawalny selbst vorgeführt wird oder er per Video zugeschaltet wird. Fraglich ist auch, ob am ersten Gerichtstag bereits die Anklage verlesen wird.

Diese hat es in sich. 3800 Blatt Material, 196 Aktenordner, hat die Staatsanwaltschaft zusammengetragen. Gegen Nawalny werden sechs Anklagepunkte erhoben. Darunter Gründung, Finanzierung und Beteiligung an einer extremistischen Organisation, Aufruf zum Extremismus und Verharmlosung des Nazismus. Mit „extremistischer Organisation“ ist der von Nawalny gegründete Fonds für die Bekämpfung der Korruption (FBK) gemeint. Der FBK hat eine Reihe von Indizien zur Korruption auf oberster politischer Ebene bis hin zu Präsident Wladimir Putin veröffentlicht.

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Vor zwei Jahren wurde der Fonds für extremistisch erklärt. Vom gleichen Moskauer Stadtgericht, vor dem der Prozess gegen ihn selbst nun stattfindet. Bei einer Verurteilung drohen Nawalny nach eigenen Angaben 30 weitere Jahre Haft.

Straflager: Immer wieder muss Nawalny in Isolationshaft

Bereits zu neun Jahren verurteilt ist Nawalny und in einem Straflager in der Region Wladimir inhaftiert. Unter „strengem Regime“. Im Vergleich zu einem normalen Straflager bedeutet dies verschärfte Haftbedingungen: weniger Besuche, weniger Briefe und Pakete, Verkürzung der täglichen Spaziergänge im Freien. Doch damit nicht genug. Immer wieder kommt Nawalny, den international viele als politischen Gefangenen sehen, in die Strafzelle. Dort sind die Haftbedingungen nochmals schwerer. Gar keine Besuche, das Mitbringen von Lebensmitteln und persönlichen Gegenständen ist ebenfalls verboten.

Alexej Nawalny drohen bei einem Schuldspruch weitere 30 Jahre Haft.
Alexej Nawalny drohen bei einem Schuldspruch weitere 30 Jahre Haft. © AFP | Handout

Nawalny wurde im Sommer 2020 bei einer Reise nach Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet. Er wurde damals im Koma liegend nach Deutschland ausgeflogen, wo er in der Berliner Charité behandelt wurde. Nawalny wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB vor, hinter der Vergiftung zu stecken. Der Kreml weist die Vorwürfe zurück.

Unterstützer Nawalnys rufen zu weltweiten Protesten auf

Nach seiner Rückkehr nach Russland wurde Nawalny direkt bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Moskau festgenommen. Der Prozess vor dem Moskauer Stadtgericht ist wohl nicht das einzige Verfahren, das gegen Nawalny läuft. Nach Angaben seines Teams droht ihm auch ein Prozess vor einem Militärgericht. Was ihm genau vorgeworfen wird, ist geheim.

Es könnte aber mit dem tödlichen Bombenanschlag auf den Militärblogger Wladlen Tatarskij Anfang April in Sankt Petersburg zusammenhängen, vermutet Nawalnys Mitstreiter Iwan Schdanow. Der russische Geheimdienst FSB sah damals eine Verbindung zu Nawalnys Unterstützern. Sein Team bestreitet dies.

Anlässlich von Nawalnys Geburtstag am 4. Juni rufen seine Mitstreiter, die im Exil leben, zu weltweiten Protesten auf. „Gehen Sie am 4. Juni um 14 Uhr auf die Hauptplätze Ihrer Städte, wo immer Sie sind, in welchem Land Sie auch immer sind, kommen Sie heraus, um Nawalny zu unterstützen“, heißt es in einer Erklärung.

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