Berlin. Eine Umfrage zur Gewaltbereitschaft junger Männer zeigt alarmierende Ergebnisse. Welche Kritik es gibt – und was Forscher jetzt sagen.

Es sind alarmierende Zahlen: Jeder dritte junge Mann in Deutschland findet laut einer neuen Umfrage Gewalt in der Partnerschaft akzeptabel. Die Untersuchung der Organisation Plan International hat eine breite Debatte ausgelöst. Kritik an der Umfragemethodik wies die Organisation am Montag zurück. Welche Kritik gibt es – und was sagen Experten zu der Untersuchung?

„Man muss die Ergebnisse ernst nehmen“, sagte der renommierte Sozialforscher Klaus Hurrelmann dieser Redaktion. „Eine erschreckend große Minderheit der jungen Männer hält Gewalt in der Beziehung für akzeptabel.“ Der Wert zeige, dass alte Rollenbilder noch weit verbreitet seien. „Hier deckt sich das Ergebnis der Umfrage auch mit anderen Studien.“

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Laut Umfrage gaben 33 Prozent der befragten Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren an, es „akzeptabel“ zu finden, wenn ihnen im Streit mit der Partnerin gelegentlich „die Hand ausrutscht“. 34 Prozent seien gegenüber Frauen schon mal handgreiflich geworden, um ihnen Respekt einzuflößen.

Organisation weist Kritik an der Methodik zurück

Nach der Veröffentlichung der Studie am Sonntag hatte es in den sozialen Medien Kritik an der Methodik gegeben. Unter anderem wurde die Repräsentativität in Frage gestellt. Plan International wehrte sich am Montag dagegen: „Die in einigen Medien geübte Kritik an der Umfragemethodik weisen wir zurück und bestätigen die Repräsentativität“, sagte eine Sprecherin dieser Redaktion.

Eckhart Preis vom beteiligten Marktforschungsinstitut Transpekte erklärte, man habe alle Branchenstandards zugrunde gelegt und insbesondere auf eine hohe Repräsentativität der Stichprobe geachtet. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien durch Fake-Antwortverhalten aufgefallen und hätten nicht ausgewertet werden können. Diese Personen hätten sich aber gleichmäßig über alle Untergruppen in der Stichprobe verteilt, so dass deren Repräsentativität weiterhin gewährleistet sei.

Welche Rolle spielt der Migrationshintergrund?

Methodische Bedenken äußerte auch Miriam Belbo, Professorin für Sozialökonomie mit Schwerpunkt Migration und Gender von der Universität Hamburg: Online-Umfragen an sich seien inzwischen in der Sozialwissenschaft üblich. Aber: „Es gibt bei dieser Umfrage viele offenen Fragen mit Blick auf die Teilnehmenden und die Methodik.“ Unter Umständen könnten bei solchen Umfragen neben der Art der Fragestellung auch die vorgegeben Antwortmöglichkeiten ein Ergebnis beeinflussen.

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„Man muss aber das Ausmaß, das sich hier zeigt, als Warnung ernst nehmen“, so Belbo. „In anderen Studien sehen wir oft, dass die Teilnehmer sozial erwünschte Antworten geben. Die hohe Zustimmung zu häuslicher Gewalt in dieser Umfrage kann auch daran liegen, dass die Antworten in der Anonymität der Onlinebefragung ungewöhnlich ehrlich waren.“

Sozialforscher Hurrelmann (Shell-Studie) hält das Ergebnis der Studie für plausibel, hätte sich aber mehr Informationen über die Befragten gewünscht: „Ein Manko der Studie ist, dass nicht abgefragt wurde, wie viele Teilnehmer einen Migrationshintergrund haben. Wir wissen aus anderen Studien, dass in Familien mit türkisch-arabischen Wurzeln sehr oft Gewalt zum Familienalltag gehört. Die Kombination aus niedrigem Bildungsniveau und einer Herkunft aus einer Kultur mit patriarchalen Strukturen führt besonders oft zu einer hohen Akzeptanz von Gewalt.“