Berlin. Mali, Afghanistan und nun Niger: Die deutsche Politik ist mit ihrem Plan gescheitert, Inseln der Sicherheit und Demokratie zu schaffen.

Die Ziele waren sicher ehrenwert. Nachdem sich die Militärregierung von Mali Russland zugewandt hatte, schaltete der Westen um: Plötzlich galt Niger als der große Stabilitätsanker in der Sahelzone. Die EU bildete die dortige Armee im Kampf gegen den islamistischen Terror aus – auch die Bundeswehr machte mit. Die „Mission Gazelle“, in der nigrische Spezialkräfte ertüchtigt wurden, kam sogar in den Ruf eines Prototyps für deutsche Auslandseinsätze.

Flankiert wurde die militärische Trainingsmission durch noble Absichten der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik. Man wollte den Austausch zivilgesellschaftlicher Gruppen anregen, die Menschen für Demokratie begeistern, Frauenrechte stärken.

Soldaten auszubilden, heißt noch nicht, Bürger in Uniform aus ihnen zu machen

Die deutsche Politik muss sich ehrlich machen: Der Plan, Westafrika vom Terror zu befreien und rechtsstaatliche Strukturen einzuhauchen, ist gescheitert. Als Letztes haben die Putschisten von Niger die Macht an sich gerissen. Das Bild, auf dem sich neun Militärs hinter Oberstmajor Amadou Abdramane aufgereiht haben, symbolisiert den Fehlschlag des Westens. Soldaten an der Panzerfaust auszubilden, heißt noch nicht, Bürger in Uniform aus ihnen zu machen.

Niger und Mali spiegeln die gut gemeinten Absichten wider, die an der Realität zerschellten. Ein stückweit stehen beide Länder für die Naivität der deutschen Außenpolitik.

Die Erfahrung in Westafrika weist Parallelen zur Tragödie in Afghanistan auf. Mit großem Aufwand hatte die Bundeswehr dort Seite an Seite mit ihren westlichen Partnern die lokalen Streitkräfte ausgebildet, um den Terrormilizen von Al-Kaida und des „Islamischen Staats“ (IS) Paroli zu bieten. Deutsche Experten bauten Brunnen und Schulen. Sie versuchten, kleine Oasen mit funktionierenden zivilen Strukturen zu schaffen.

Die Militärs zertrampeln jedwede Gehversuche in Sachen Demokratie und Sicherheit

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent.
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

All dies führt jedoch zum Misserfolg, wenn das Land nicht zu Reformen bereit ist. In Afghanistan war der Einfluss der Stämme, Clans und Warlords zu groß. Hinzu kam die Korruption der vom Westen gestützten Regierung. Die Taliban machten alle Anstrengungen des Westens zunichte und katapultierten das Land zurück ins Mittelalter.

Ähnlich enttäuschend ist die Entwicklung in Westafrika. Die Militärs zertrampeln jedwede Gehversuche in Sachen Demokratie und Sicherheit. Niger und zuvor Mali und Burkina Faso dürften nicht die letzten Rückschläge sein. Man muss es so hart aussprechen: Der Westen kann die Sahelzone nicht stabilisieren. Jedenfalls nicht mit den bisher angewandten Mitteln – und sehr wahrscheinlich auch nicht mit immens hohem Finanzaufwand. Die Impulse müssen aus dem Land heraus kommen.

Die deutsche Politik muss ihre Ziele in Afrika herunterschrauben

In Niger sind die Herausforderungen besonders groß. Das Land ist bitterarm, die Geburtenrate extrem hoch. Die wenigsten Menschen können lesen und schreiben. Der Putsch in Niger ist auch eine Facette im politischen Kampf um Afrika. Russland beliefert die Autokraten auf dem Kontinent mit Waffen – in Mali und vielleicht bald auch in Niger. China schafft wirtschaftliche Abhängigkeiten durch Kredite für Straßen, Eisenbahnlinien und Flughäfen.

Europa – und vor allem Deutschland – sollte sich von der Illusion verabschieden, in Afrika Demokratie, Sicherheit und Wohlstand schaffen zu können. Die Ziele müssen deutlich heruntergeschraubt werden. Zwei realistische Leitplanken: Es ist richtig, den Ländern Angebote zu machen, die ökonomisch attraktiver sind als die der Chinesen. Zudem sollte der Westen noch mehr auf regionale Partner wie die Afrikanische Union setzen. Mehr Selbstverantwortung, heißt die Devise.