Washington. Ron DeSantis will Joe Biden als US-Präsident herausfordern. Um eine Chance zu haben, unternimmt er jetzt einen waghalsigen Kurswechsel.

Kaum drei Monate her, da galt Ron DeSantis im traditionellen republikanischen Lager als Wunschkandidat, um Donald Trump 2024 zu verhindern und mit einem jungen Gouverneur die Niederlagen-Serie der Konservativen zu beenden.

Heute wird die von Pannen geprägte Präsidentschaftskandidatur-Kampagne des Regional-Politikers aus Florida von manchen konservativen Parteistrategen bereits als „Flop” bezeichnet. Der Hotel-Millionär Robert Bigelow, bisher DeSantis' größter Gönner (20 Mio. Dollar), hat just vergrätzt den Geldhahn zugedreht.

Umfragen: Trump weit vor DeSantis

In Umfragen hat sich der schon vorher enorme Rückstand von DeSantis auf den Top-Favoriten Trump trotz dessen juristischer Groß-Hypothek zuletzt noch weiter vergrößert – auf rund 35 Prozentpunkte.

Das frischeste Meinungsbild von Reuters/Ipsos sieht DeSantis nur noch bei 13 Prozent; sechs Prozentpunkte weniger als im Juli. Der Rest der Kandidaten dümpelt im einstelligen Bereich.

Sechs Monate vor Beginn der republikanischen Vorwahlen („primaries”) wird Ron DeSantis bereits mit „schnell verglühten Sternen” wie Scott Walker und Jeb Bush verglichen, die 2016 an zu großen Erwartungen gescheitert waren.

Überraschender Kurswechsel von DeSantis

Dem angeschlagenen Kandidaten bleibt nur ein enges Zeitfenster, um seine Ausgangsposition potenziell zu verbessern. Neben kräftigem Personalabbau in seinem Stab soll eine Öffnung hin zu den bisher von ihm verschmähten Mainstream-Medien auch Amerikanern links der Mitte zeigen, was eine DeSantis-Präsidentschaft bedeuten würde.

Ein Interview bei dem bisher bewusst von ihm gemiedenen Sender NBC nutzte DeSantis jetzt zu einem bemerkenswerten Kurswechsel.

Zum ersten Mal wies der 44-Jährige, der Trump den Sprung ins Gouverneurs-Amt in Tallahassee verdankt, die Lügen seines parteiinternen Konkurrenten über den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zurück.

Ron DeSantis über Donald Trump: „Natürlich hat er verloren"

„Natürlich hat er verloren. Joe Biden ist der Präsident“, sagte DeSantis wörtlich – und gab damit seine über zweieinhalb Jahre praktizierte Haltung auf, wonach Trumps Kritik am Zustandekommen des Wahlsieges berechtigt sei. Heute sagt er lediglich: „Ich denke nicht, dass es eine gut geführte Wahl war.“

Hintergrund: Wer im republikanischen Lager Trumps gerichtlich dutzendfach bestätigte Lüge von der gestohlenen Wahl öffentlich anzweifelt, wird umgehend von Trump in den Senkel gestellt und bei dessen Wählerbasis offensiv angeschwärzt.

Dort glauben nach diversen Umfragen bis zu 70 Prozent immer noch, dass ihr Idol im November 2020 betrogen wurde. Die jüngste Anklage hat daran wenig geändert.

Überraschender Kurswechsel: DeSantis spricht sich das erste Mal gegen Trumps Lüge von einer gestohlenen Wahl aus. „Natürlich hat er verloren. Joe Biden ist der Präsident“, so der Präsidentschaftsbewerber wörtlich.
Überraschender Kurswechsel: DeSantis spricht sich das erste Mal gegen Trumps Lüge von einer gestohlenen Wahl aus. „Natürlich hat er verloren. Joe Biden ist der Präsident“, so der Präsidentschaftsbewerber wörtlich. © Charlie Neibergall/AP/dpa

DeSantis: Trump allein trage die Schuld an seiner Wahlniederlage

DeSantis ging in seiner Umdeutung der Ereignisse einen Schritt weiter. Er machte de facto Trump persönlich für die Wahlniederlage verantwortlich. Der Präsident habe durch staatliche Finanzförderung im Rahmen der Corona-Bekämpfung die massive Ausweitung der Briefwahl ermöglicht, die latent betrugsanfällig sei, sagte DeSantis.

Außerdem habe die Trump unterstellte Bundespolizei FBI für Joe Biden potenziell unvorteilhafte Informationen über dessen Sohn Hunter vor der Wahl 2020 in den Medien unterdrückt. DeSantis' Botschaft: Trump hat verloren. Und er allein trägt die Schuld dafür.

Experten: DeSantis bezieht zu selten klar Stellung

Das Trump-Lager reagierte erwartungsgemäß vergrätzt. „Ron DeSantis sollte wirklich damit aufhören, Joe Bidens größter Cheerleader zu sein”, erklärte ein Sprecher des Ex-Präsidenten, der in der Vergangenheit seinen Rivalen mit Wortspielen wie Ron DeSanctimonious überzogen hatte. Was so viel wie „scheinheiliger Ron” bedeutet.

Ob DeSantis von seiner Trump-Distanzierung profitieren kann, ist aus Sicht von Wahlkampf-Analysten fraglich. „Er bekennt bei zentralen Themen einfach zu wenig Farbe”, sagte ein republikanischer Parteistratege in Washington dieser Zeitung.

Textbaustein Donald Trump – Mehr Infos zum Ex-US-Präsidenten

Umstrittenes Abtreibungsgesetz in Florida unter DeSantis auch landesweit möglich?

So hat DeSantis in Florida ein massiv umstrittenes Gesetz unterzeichnet, dass Abtreibungen ab der sechsten Schwangerschaftswoche unter Strafe stellt. Von CNN-Star-Moderator Jake Tapper jüngst befragt, ob er dies auch landesweit durchsetzen würde, wich DeSantis mehrfach aus.

Die Zweifler haben inzwischen auch die Chef-Etagen des im rechten Spektrums meinungsbildenden Senders Fox News erreicht. Dort war Oberboss Rupert Murdoch früh sehr angetan von DeSantis. Er hielt ihn für strukturierter und weniger divenhaft als Trump.

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Seit der Absolvent von Elite-Unis wie Harvard und Yale im Mai seit Kandidatur in Gang gesetzt hat, ist die Euphorie beim Medien-Milliardär „völlig verflogen”, sagen Reporter des Unternehmens hinter vorgehaltener Hand.

Forderungen nach Alternativen für die Präsidentschaftswahl

Dass DeSantis systematisch versucht, ideologisch Trump rechtsaußen zu überholen, etwa mit Attacken gegen Schwule, Lesben und Transgender und alles „Woke” (Linksliberale), schmeckt Murdoch überhaupt nicht.

In der Wahl am 5. November 2024 werde „kulturkriegerischer Aktivismus bei unabhängigen Wählern zur Stolperfalle”, zitieren Eingeweihte den gebürtigen Australier.

Weil DeSantis in sämtlichen Umfragen keinen Boden gutmacht und alle übrigen bekannteren Kandidaten (Mike Pence, Nikki Haley, Chris Christie, Tim Scott etc.) im einstelligen Prozentbereich verharren, wird der Ruf zaghaft lauter, dass mit Brian Kemp (Georgia) und Glenn Youngkin (Virginia) zwei konservative, aber auch für moderate Wählerschichten potenziell attraktive Gouverneure in das Präsidentschaftsrennen einsteigen sollen. Beide Protagonisten schweigen bisher.

TV-Debatte der republikanischen Kandidaten am 23. August

Nach der ersten TV-Debatte der republikanischen Präsidentschafts-Bewerber am 23. August in Milwaukee/Wisconsin könne sich das ändern, heißt es in Republikaner-Kreisen. „Wenn DeSantis das Podium als gerupftes Huhn verlassen sollte, werden die Karten neu gemischt.”