Ankara. Der türkische Präsident hat den jüngsten Anschlag als „letztes Zucken des Terrors“ bezeichnet. Welche Gefahr geht noch von der PKK aus?

Nach dem jüngsten Anschlag der PKK auf das Innenministerium geht die Türkei militärisch gegen mutmaßliche Verstecke der Kurdenmiliz vor. Auch der Druck auf kurdische Bürgerrechtler wächst. So hat die Türkei immer auf PKK-Attentate reagiert. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beschrieb ihn als „das letzte Zucken des Terrors“. Wie gefährlich ist die Organisation noch?

Die PKK stehe kurz vor der Zerschlagung, heißt es inoffiziell in türkischen Sicherheitskreisen. Tatsächlich ist die PKK militärisch erheblich geschwächt. Unter dem Druck der türkischen Militäroperationen haben sich ihre Kämpfer in die Berge des Nordirak zurückgezogen. Abzulesen ist die Schwäche der PKK an der Zahl der Terroranschläge. 2016 verübte die Organisation zehn Attentate. In den sieben Jahren seit 2017 waren es nur noch sechs. Offenbar haben die Terroristen immer weniger Aktionsmöglichkeiten.

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PKK: Geschichte geht bis in die Mitte der 1970er Jahre zurück

Auch die kurdische Bürgerrechtsbewegung steht unter großem Druck. Gegen die Kurdenpartei HDP läuft ein Verbotsverfahren wegen angeblicher Verbindungen zur PKK. Ihr charismatischer Führer Selahattin Demirtas sitzt im Gefängnis und kündigte seinen Rückzug aus der Politik an. Aber gerade weil PKK und HDP immer mehr in die Defensive kommen, halten manche Sicherheitsexperten weitere Verzweiflungstaten für möglich.

Die Geschichte der PKK geht bis in die Mitte der 1970er Jahre zurück. Ihr Ziel war die Autonomie der rund zwölf Millionen türkischen Kurden in einem kommunistischen Staat. 1984 nahm die PKK den bewaffneten Kampf auf. Seither sind im Kurdenkrieg mindestens 43.000 Menschen ums Leben gekommen. PKK-Gründer Abdullah Öcalan verbüßt seit 1999 eine lebenslange Haftstrafe.

Deutschland gehört zu den wichtigsten Aktionsräumen der PKK

Wie kampfstark die PKK heute noch ist, weiß niemand genau. Erdogan sagte Anfang 2021, allein zwischen 2015 und 2020 habe die Armee über 17.000 PKK-Rebellen „zerstört“ oder gefangen genommen. Sicherheitsexperten schätzen, dass die PKK im Nordirak über einige tausend und in der Türkei selbst noch über einige hundert aktive Kämpfer verfügt. Aber die eigentliche Stärke der Organisation liegt in der Zahl ihrer Anhänger und Mitläufer. Sie dürfte in die Millionen gehen.

Deutschland ist wegen der vielen dort lebenden Kurden ein wichtiges Betätigungsfeld für die PKK. Verfassungsschutzexperten schätzen die Zahl der PKK-Mitglieder in Deutschland auf etwa 15.000. 1993 wurde die PKK vom Bundesinnenministerium als Terrororganisation verboten. Trotzdem gehört Deutschland zu ihren wichtigsten Aktionsräumen. Sie operiert unter dem Deckmantel kurdischer Vereine. In Deutschland erzielt die PKK einen Großteil ihrer Einnahmen – im Drogenhandel, mit Schutzgelderpressungen und im Menschenschmuggel.

Neben Deutschland ist Schweden ein wichtiges Rekrutierungs- und Finanzierungsfeld für die PKK. Das skandinavische Land hat in den vergangenen Jahrzehnten vielen friedlichen türkischen Bürgerrechtlern Asyl gewährt, aber auch zahlreiche militante Anhänger der PKK aufgenommen. Das sorgt jetzt für erhebliche Spannungen zwischen Ankara und Stockholm. Erdogan macht die Zustimmung zu Schwedens Nato-Beitritt davon abhängig, dass Polizei und Justiz schärfer gegen die PKK und ihre Anhänger vorgehen.