Berlin. Seit der Eskalation im Nahen Osten nimmt der Antisemitismus im Internet zu. Was Sie tun können, um dem Judenhass entgegenzutreten.

Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland hat 2023 zugenommen. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Allein im dritten Quartal 2023 erfasste das Bundeskriminalamt 540 antisemitische Straftaten, davon 14 Gewalttaten. Im Vorjahresquartal lag die Zahl der antisemitischen Straftaten noch bei 306 und stieg in den ersten beiden Quartalen 2023 erst auf 376 und dann auf 446 an. Bei all diesen Zahlen handelt es sich um Erstmeldungen, Nachmeldungen könnten zu deutlichen Korrekturen nach oben führen.

Auch Geschehen, die sich seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ereignet haben, sind noch nicht aufgeführt. Die Meldestelle für Antisemitismus RIAS erfasste zwischen dem 7. und dem 18. Oktober alleine in Berlin 70 verifizierte antisemitische Vorfälle, darunter einen Brandanschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum (Link zur „Berliner Morgenpost“),

Antisemitismus in Deutschland: Judenhass auch online gestiegen

Diese Entwicklung spiegelt sich in den sozialen Medien wider. Dort nimmt der Judenhass ebenfalls zu, wie eine aktuelle Studie des Institute for Strategical Dialogue (ISD) zeigt. Die durchschnittliche Zahl antisemitischer YouTube-Kommentare pro Tag stieg um 242 Prozent, verglichen mit den Tagen vor der Eskalation im Nahost-Konflikt.

In anderen Online-Communitys wurde ebenfalls ein Anstieg antisemitischer Äußerungen verzeichnet, besonders stark beim anonymen Imageboard 4chan. Seit der Übernahme der Plattform X (vormals Twitter) durch Elon Musk konnte eine weitere Studie schon im März dieses Jahres einen Anstieg antisemitischer Postings um mehr als 100 Prozent feststellen.

Antisemitismus im Netz? Deutsche Prominente mit fragwürdigen Äußerungen

In Deutschland vielen zuletzt einige – mehr oder weniger – prominente durch mehr als fragwürdige Aussagen im Netz auf. So äußerte sich Clan-Boss Arafat Abou-Chakar, vor allem bekannt durch seinen Konflikt mit Rapper Bushido, in einem Livestream auf der Kurzvideoplattform TikTok zum Nahostkonflikt und verglich den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit Adolf Hitler (Link zur „Berliner Morgenpost“). Inzwischen ermittelt der Staatsschutz zu dem Fall.

Der niederländische Fußballprofi Anwar El Ghazi sah sich bereits mit den Konsequenzen eines antiisraelischen Posts auf Instagram konfrontiert. Der FSV Mainz 05, bei dem El Ghazi unter Vertrag stand, suspendierte den Stürmer zunächst, aufgrund fehlender Reue des Spielers wurde der Vertrag inzwischen aufgelöst, die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen den 28-Jährigen. Auch andere Bundesligaprofis wie Bayernspieler Noussair Mazraoui und Aïssa Laïdouni, der bei Union Berlin unter Vertrag steht, posteten kurz nach dem Überfall der Hamas propalästinensische Beiträge auf Instagram.

Antisemitismus im Internet: Was Sie tun können

Es kommt immer wieder vor, dass Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien mit judenfeindlichen Aussagen konfrontiert werden, besonders in der aktuellen Lage. Die Amadeu Antonio Stiftung rät daher zu einem aufmerksamen Umgang mit Postings, die sich mit Themen wie Israel oder dem Nahost-Konflikt befassen. Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer sollten das Thema beobachten und Kinder und Jugendliche bei der politischen Meinungsbildung auf Social Media begleiten.

Zudem empfiehlt die Stiftung, antisemitische Inhalte zu melden und diesen online zu widersprechen. Dafür bietet die Stiftung auf der Website „nichtsgegenjuden.de“ auch Argumentationshilfen gegen gängige antisemitische und falsche Aussagen. Einige Beispiele:

AussageGegenargument
Der aktuelle Antisemitismus in Deutschland ist ein importierter!Antisemitismus gab es in Deutschland schon lange vor der Zuwanderung von Musliminnen und Muslimen. Außerdem können Studien immer wieder nachweisen, dass gewisse Teile der Bevölkerung, je nach Erhebung 10 bis 20 Prozent, antisemitischen Aussagen zustimmen.
Ohne Israel gäbe es keinen Antisemitismus!Schon lange vor Gründung des Staats Israel wurden Juden ausgegrenzt und verfolgt. Auf Basis dieser Erfahrungen entwickelte sich der Zionismus, der schließlich in der Gründung Israels mündete. Israel ist als nicht schuld am Antisemitismus, der Antisemitismus hat die Gründung Israels nötig gemacht.
Man darf ja nichts sagen, sonst ist man gleich Antisemit!Jeder darf in Deutschland seine Meinung frei äußern. Grenzen gibt es nur dann, wenn etwa Straftaten gebilligt oder andere Menschen in ihrer Würde verletzt werden. Auf antisemitische Aussagen trifft beides oft zu. Legitime Kritik ist dagegen richtig und wichtig. Wer sich kritisch äußert, muss jedoch auch mit Gegenargumenten rechnen. Das ist aber kein Eingriff in die Meinungsfreiheit, sondern genau deren Grundlage.
Der Staat Israel hat kein Recht zu existieren!Der Staat Israel ist nicht künstlicher als andere Staaten. Alle Staaten sind irgendwann einmal von Menschen gegründet worden und sind somit künstlich. Das ändert nichts an seinem Existenzrecht.

Aktuell spielen auch Falschmeldungen eine wichtige Rolle. Die Amadeu Antonio Stiftung rät daher dazu, Vorsicht walten zu lassen, Faktenchecks zu nutzen und beim Verbreiten eigener und fremder Inhalte Vorsicht walten zu lassen.

Von den Unternehmen hinter den sozialen Medien forderte die Stiftung bereits 2021 ein entschlosseneres Vorgehen gegen Antisemitismus, vor allem beim Löschen von Inhalten und Accounts. Durch einen besseren Zugriff für Forscherinnen und Forscher auf die Daten der Plattformen könnten außerdem die Ausmaße antisemitischer Äußerungen und mögliche Gegenmaßnahmen besser untersucht werden.

Von unseren Reportern in Israel

  • Geisel-Angehörige: „Druck auf Hamas sollte viel größer sein“
  • Experte Masala:„Hamas-Tunnel zu sprengen, wäre eine Möglichkeit“
  • Heimatbesuch wird zum Drama:„Ungewissheit ist grauenhaft“
  • An die Front:Alon ist Frankfurter – und zieht für Israel in den Krieg
  • Nach Gaza entführt:„Wir sind die Hamas, ihr Israelis habt schöne Töchter“