Brüssel. Nato-Außenminister beraten über verdächtige Flüchtlingsroute nach Finnland. Auch Estland ist besorgt. In Afrika droht neues Problem.

Eine verdächtige Flüchtlingsroute in Nato-Gebiet löst neue Spannungen zwischen der Nato und Russland aus. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wirft Russland vor, es wolle mithilfe von Migration die westlichen Demokratien destabilisieren – so wie bislang schon mit Desinformation oder Cyberangriffen. Stoltenberg verwies in Brüssel auf die zunehmende Einreise von Asylbewerbern aus Afrika und Asien über die russische Grenze nach Finnland. Moskau benutze die Migration „als Instrument, um das Nato-Mitglied Finnland unter Druck zu setzen“, sagte Stoltenberg anlässlich eines Nato-Außenministertreffens, bei dem über das Problem beraten wird.

Die Nato stehe solidarisch zu Finnland, sagte der Nato-Chef, ließ aber offen, welche Konsequenzen das haben könnte. Die finnische Außenministerin Elina Valtonen erklärte, Russland setze Migranten „als Teil seiner hybriden Kriegsführung gegen Finnland ein“. Dies sei offenkundig eine Reaktion Moskaus auf den finnischen Nato-Beitritt. Allein im November sind bis jetzt rund 800 Asylbewerber aus Syrien, Jemen, Somalia, Irak und Afghanistan über die verschneite Grenze von Russland nach Finnland eingereist. Viele von ihnen kommen trotz der winterlichen Verhältnisse in Turnschuhen und mit Fahrrädern. Die finnische Regierung hat nach eigenen Angaben Beweise, dass die russischen Grenzbeamten die Migranten anders als zuvor auch ohne Ausweisdokumente weiterreisen lassen und sie beim Grenzübertritt aktiv unterstützen. Zum Teil werde ihnen sogar der Rückweg versperrt.

Die Grenzstation Nuijamaa zwischen Russland und Finnland haben die finnischen Behörden geschlossen, nachdem immer mehr Asylbewerber aus Afrika und Asien einreisten.
Die Grenzstation Nuijamaa zwischen Russland und Finnland haben die finnischen Behörden geschlossen, nachdem immer mehr Asylbewerber aus Afrika und Asien einreisten. © Vesa Moilanen/Lehtikuva/dpa | Unbekannt

Einreise über Russland: Estland meldet steigende Zahl von Migranten

Die finnischen Behörden hatten als Reaktion bereits sieben Grenzübergänge geschlossen, am Dienstag wurde auch der letzte Übergang Raja-Jooseppi in Lappland nördlich des Polarkreises für den Personenverkehr gesperrt. Die Europäische Union ist alarmiert und hat 50 Beamte der EU-Grenzschutztruppe Frontex nach Finnland entsandt, um die Behörden dort zu unterstützen und die Migranten bei den eisigen Temperaturen zu versorgen. Russland weist eine Verantwortung für die verstärkte Migration zurück.

Doch die Vorgänge werden von der Nato und der EU sehr ernst genommen, weil die Abläufe an ähnliche Provokationen von Belarus an der Grenze zum Baltikum und Polen erinnern. Vor zwei Jahren ließ der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko gezielt tausende Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in sein Land einfliegen, die dann mithilfe von belarussischen Grenzsoldaten nach Polen, Lettland und Litauen geschleust wurden. Aktuell meldet auch Estland steigende Zahlen von Migranten etwa aus Somalia und Syrien, die über Russland einreisen. Das Innenministerium sieht Hinweise auf die Beteiligung des russischen Grenzschutzes und spricht von einem „hybriden Angriff“. Estland werde seine Grenzen zu Russland schließen werde, wenn der Druck weiter zunehme.

Anhänger der regierenden Junta im Niger jubeln auf der Straße. Ende Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde in dem westafrikanischen Land den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum entmachtet. Jetzt öffnet das Regime wieder eine Fluchtroute nach Europa.
Anhänger der regierenden Junta im Niger jubeln auf der Straße. Ende Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde in dem westafrikanischen Land den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum entmachtet. Jetzt öffnet das Regime wieder eine Fluchtroute nach Europa. © Sam Mednick/AP/dpa/Archiv | Unbekannt

Migration aus Niger könnte wieder zunehmen

Unterdessen gibt es auch von der Südflanke Europas beunruhigende Nachrichten zur Migrationsentwicklung. Das neue Militärregime im westafrikanischen Niger hat ein Gesetz aufgehoben, das die Schleusung von irregulären Migranten in dem wichtigen Transitland seit einigen Jahren unter Strafe stellte. Dieses Gesetz hatte den Transit von Flüchtlingen in Afrika auf einer Hauptroute in Richtung Mittelmeer und Europa deutlich verringert, im Gegenzug hatte die EU rund 75 Millionen Euro an Hilfsgeldern zugesagt. Der Leiter des Regionalbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, sagte unserer Redaktion: „Das ist der worst case für Europa“. Es sei zu befürchten, dass die Armutsmigration über Niger jetzt wieder deutlich zunehme.

Laessing vermutet, dass das neue Militärregime nach dem Putsch im Juli Gespräche mit der EU erzwingen will, die Brüssel bisher ablehnt. Unklar ist die Rolle Russlands bei der faktischen Wiederöffnung der wichtigen Flüchtlingsroute. Die russische Regierung bemühe sich jetzt sehr um das Regime in Niger, auch mit Militärzusammenarbeit, sagte Laessing. Ob Moskau so auch Einfluss auf die Öffnung der Fluchtroute nach Europa genommen habe, sei schwer zu sagen.