Moskau. Der Kreml-Chef will eine Sowjetunion 2.0 mit Rollenbildern, die kaum zur modernen Lebenweise passen. Auf Dauer wird das nicht gutgehen.

Die politische Opposition in Russland ist bereits länger mundtot. Nun geht es mit immer neuen Gesetzen gegen Schwule und Lesben, gegen Menschen, die eine andere Sexualität leben als die traditionelle. Trauriger Höhepunkt bislang sind die Razzien in den Schwulenclubs und die Geldstrafe gegen einen Fernsehsender, nur weil dieser ein Video eines beliebten Popstars gezeigt hat, in dem zwei Frauen zärtlich zueinander sind.

Was geht den Staat Sexualität an, sofern niemand missbraucht, vergewaltigt oder unterdrückt wird? Nichts, könnte man meinen. Das Gegenteil aber ist richtig, besonders in Russland. Vor der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr will Kremlchef Wladimir Putin punkten. Außenpolitisch geißelt er immer wieder den sogenannten westlichen Liberalismus. Und die Mehrheit der russischen Gesellschaft ist konservativ – in Teilen auch homophob.

Homosexualität hat im russischen Familienbild keinen Platz

Nach dem Willen des Kreml soll Russland eine Art Sowjetunion 2.0 werden. Der neue russische Mann ist ganz der Alte. Stark wie ein Bär verteidigt er seine Familie, sein Vaterland. Und die neue russische Frau ist auch die alte: eine liebenswürdige Mutter vieler Kinder. Homosexuelle Beziehungen haben in diesem Rollenbild keinen Platz.

Jo Angerer, Korrespondent in Moskau.
Jo Angerer, Korrespondent in Moskau. © fmg | Unbekannt

Fraglich aber ist, ob dies in der russischen Gesellschaft, die zumindest in Teilen auch eine moderne ist, funktionieren wird. Viele Menschen, auch hochqualifizierte, werden das Land für immer verlassen. Noch funktioniert in der russischen Alltagswelt vieles präzise. Züge sind auf die Minute pünktlich. Über gut funktionierende Apps kann man bequem einkaufen. Sie wurden erdacht von Spezialisten – also Fachkräfte, die vielleicht bald anderswo in der Welt arbeiten werden.