Berlin. Erschöpfte Mütter, müde Väter: Warum Eltern am Ende des Jahres so kaputt sind und welcher Gedanke jetzt hilft, trotzdem weiterzumachen.

Den Eltern in Deutschland geht es gut. Man muss das am Ende dieses Jahres einmal genauso deutlich sagen: Sie müssen nicht fürchten, dass ein Geschoss den Schulbus ihrer Kinder zerfetzt, wie es die Eltern in der Ukraine jeden Tag im Kopf haben müssen. Sie brauchen auch keine Angst zu haben, dass ein Attentäter an der Bushaltestelle das Feuer auf sie richtet, wie es Mütter und Väter in Israel jeden Tag fürchten müssen. Überhaupt: Ihre Töchter können zur Schule gehen, ihre Söhne müssen nicht als Kindersoldaten in irgendeinen absurden Krieg ziehen.

Viele Eltern habe die reale Sorge, dass die guten Zeiten vorbei sind

In Deutschland gibt es nicht immer genau den Fiebersaft, den der Arzt verschrieben hat, aber es gibt keine flächendeckende Versorgungskatastrophe. Es gibt zu wenig Betten in den Kinderkliniken, aber noch können die Krankenhäuser die Lücken in der Regel durch Improvisation schließen. Und natürlich gibt es zu wenig Kita-Plätze, zu wenig Lehrer und zu viel Unterrichtsausfall. Aber gemessen an dem, was Eltern in anderen Regionen der Welt aushalten müssen, geht es Müttern und Vätern in Deutschland gut.

Politik-Korrespondentin Julia Emmrich
Politik-Korrespondentin Julia Emmrich © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Das ist das eine. Das andere ist: Der Vergleich mit Eltern in Kriegsgebieten, in Diktaturen oder katastrophaler Armut lässt das eigene Leid, die eigenen Sorgen nicht schrumpfen. Zumal die Liste der Sorgen für viele Eltern im vergangenen Jahr noch länger geworden ist – allein schon deshalb, weil das gewohnte Leben kaum noch bezahlbar ist. Wie eine aktuelle Umfrage zeigt, fürchten zwei von drei Eltern, dass sie ihren Lebensstandard aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage nicht halten können. Das ist keine grundlose „German Angst“, das ist die reale Sorge der bürgerlichen Mitte, dass die guten Zeiten vorbei sind.

Hinzu kommt eine andere Belastung: Virologisch gesehen ist die Corona-Pandemie zu Ende. Psychologisch dagegen hat sie eine ganze Generation schwer mitgenommen. Die Folgen sind nicht nur bis heute zu sehen – sie werden in ihrer ganzen Tragweite überhaupt jetzt erst richtig sichtbar: Die Zahl der jungen Menschen, bei denen die Ausnahmelage bleibende Spuren hinterlassen hat, ist erschreckend groß. Essstörungen, Depressionen, Lerndefizite haben sich verstärkt oder überhaupt erstmals Bahn gebrochen. Die Zahl der jugendlichen Raucher ist gegen den bisherigen Trend wieder steil nach oben gegangen. Das Virus ist unter Kontrolle, die Folgen aber spüren viele Familien bis heute.

Was jetzt zählt, ist uralt und brandaktuell: Bildung, Bildung, Bildung

Weiter gewachsen ist zudem die Sorge, dass die Schule nicht leistet, was sie sollte: Innerhalb eines Jahres ist diese Befürchtung laut Umfrage um fast elf Prozent gestiegen. Die jüngste Pisa-Studie gibt den besorgten Eltern recht. Dabei gibt es nur eine einzige Antwort auf die Frage, wie man Kinder und Jugendliche auf ein Leben in einer Welt vorbereitet, deren Koordinaten Klimawandel und Kriege, Künstliche Intelligenz und der weltweite Siegeszug der Populisten sind. Die Antwort ist uralt und brandaktuell: Bildung, Bildung, Bildung.

Doch was folgt daraus? Mehr Lehrer ausbilden? Lehrer besser bezahlen? Brennpunktschulen solider ausstatten? Frühkindliche Bildung ausbauen? Alles richtig. Am Ende hängt es aber (auch) an den Eltern. Bildung lebt vom Vorbild. Die allermeisten Eltern wissen das. Doch oft fehlt die Zeit, die Kraft, die Ruhe. Auch das weiß jeder, der Kinder hat. Wer sich trotzdem mal wieder einen Ruck geben will, dem hilft vielleicht ein schlichter Gedanke: Bildung ist das einzige Investment, das zu allen Zeiten krisenfest ist. Es lohnt sich also, egal, was draußen in der Welt gerade los ist.