Erfurt. Beim Politischen Salon im Haus Dacheröden debattierten Journalisten und Gäste über die Glaubwürdigkeit von Medien.

Kann man traditionellen Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder Tageszeitungen vertrauen? Der Aussage stimmten 2008 in der bekannten Mainzer Langzeitstudie 29 Prozent der Befragten zu, 9 Prozent lehnten sie ab. 2019 sagten in der gleichen Umfrage zwar einerseits 43 Prozent Ja, andererseits stieg die Zahl derer, die dies komplett verneinten, auf fast ein Drittel. Was also hat es auf sich mit der Vertrauenskrise der traditionellen Medien? Studienergebnisse und Frage standen einleitend über dem Politischen Salon „Nachgefragt“ zum Thema Medien im Haus Dacheröden. Geladen waren die Journalistinnen Gerlinde Sommer, Chefredakteurin der zur Funke-Gruppe gehörenden TLZ und Melanie Haak, Leiterin des ZDF-Landesstudios, sowie Hektor Haarkötter, Kommunikationswissenschaftler und Geschäftsführer der Kölner Inititiative Nachrichtenaufklärung.

Es dauerte allerdings eine Weile, ehe die von MDR-Redakteur Ulrich Böhme mit Reizwörtern wie Lügenpresse, Lückenpresse, System- oder Staatsmedien angestachelte Runde tatsächlich ans Eingemachte ging. Deutlich erkennbbar war zunächst das Bedürfnis, über Arbeitsabläufe und Selbstverständnis in den Redaktionen zu sprechen. Melanie Haak berichtet, wie schwer es die vier Kolleginnen ihres kleinen Landesstudios mitunter haben, mit Thüringer Themen in der Senderzentrale durchzudringen. Gerlinde Sommer warb für die digitalen Angebote der Funke-Zeitungen und den Worten „auch die digitale Zeitung ist eine Zeitung“. Hektor Haarkötter sprach über die Top 10 der vergessenen Nachrichten, die seine Initiative alljährlich mit dem Deutschlandfunk veröffentlicht. Mit dabei in diesem Jahr die „verschwiegene“ Übermacht der großen Techkonzerne Google & Co. im Internet. Das Thema, so jedenfalls Haarkötter, käme in deutschen Medien nicht vor, weil diese sich dann eingestehen müssten, dass ihre Angebote nur einen verschwindend kleinen Anteil des Webverkehrs stellten.

Publikum vermisste Themen- und Meinungsvielfalt

Dann meldete sich das Publikum zu Wort. Man wolle darüber reden, warum das mit den Medien nicht mehr funktioniere. Ein Gast beklagte, dass seine Lebenswirklichkeit nicht mehr vorkomme. Eine Frau erinnerte an die letzten Wochen der Queen und fragte, warum Medien schon über ihr Ableben schrieben, als sie noch Monate zu leben hatte. Es ging um den Dissenz, was Journalisten und Leser jeweils wichtig finden, um zu wenig Themen-Vielfalt und Ausgewogenheit hier und zu viel Meinung da, wo es um Fakten gehen sollte. Journalisten könnten nicht jeden Tag über alles schreiben und auch nicht in jedem Beitrag jede Meinung abbilden, sagte Melanie Haak. Das sei die tägliche Crux der Nachrichtenauswahl. Für manche Termine mit „Andersdenkenden“, etwa in Gera, brauche man inzwischen Begleitschutz, trotzdem sei man vor Ort. Gerlinde Sommer forderte das Recht auf Fehler auch für Journalisten ein. Wieso eigentlich Vertrauen, fragte Hektor Haarkötter, gesundes Misstrauen sei immer und überall angebracht.

Als ein Zuhörer ein Comic-Video zur Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine erwähnte, das im Kinderfunk TIVI des ZDF gesendet worden sei, kochte die Empörung über die vermeintliche Kriegstreiberei für einen Moment hoch. Ein Vorort-Check durch Ulrich Böhme ergab allerdings, dass es wohl ursprünglich im ZDF-Comedy-Kanal Un.logo! bei Youtube lief, bevor es ein Eigenleben in den sozialen Netzwerken entwickelte. Satire statt Kinderverziehung. Wahrheitsgehalt, Vertrauenswürdigkeit und Ursprung von Aussagen und Nachrichten zu hinterfragen, gelte für Medienmacher wie für Mediennutzer gleichermaßen, sagte Böhme.