Erfurt/Berlin. Die Strukturpolitik in Deutschland soll nicht mehr nach Ost und West ausgerichtet werden. Dafür gibt es Kritik aus Thüringen, das sich bei Neuansiedlungen für staatlichen Behörden oder Forschungseinrichtungen übergangen fühlt.

Der thüringische CDU-Chef Mike Mohring hat angesichts der Unterschiede bei den Lebensverhältnissen in Deutschland seinen Ruf nach mehr Forschungsgeldern erneuert. Die Politik könne so dazu beitragen, dass mehr Zukunftstechnologien im Osten entstünden, sagte Mohring am Montag vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin.

Vor einer Woche hatte bereits Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die nach seiner Auffassung anhaltende Benachteiligung des Ostens beklagt. Mit Blick auf den Zuschlag für ein Batterieforschungszentrum in Münster (Nordrhein-Westfalen) schrieb Ramelow, diese Entscheidung stehe im Widerspruch zu den wiederholten Zusagen, die Interessen der ostdeutschen Länder bei ihren Standortentscheidungen im Blick zu haben.

Mohring forderte die schwarz-rote Koalition zudem auf, bei einer Steuerreform das zu liefern, was zugesagt war: „Nämlich Arbeitgeber entlasten, damit sie bessere Löhne zahlen können.“ Der Osten habe einen riesigen Strukturwandel hinter sich und neue Arbeitsplätze geschaffen. Trotzdem fehlten Zukunftschancen, um die Schere zwischen Ost und West zu schließen. Das werde nur gelingen, wenn das Bruttoinlandsprodukt im Osten höher sei als jenes im Bundesgebiet.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Lebensverhältnisse hat erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Regionen in Deutschland festgestellt. Es bestünden „erhebliche Disparitäten in den regionalen Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten, bei der Verkehrs- und Mobilfunkanbindung und beim Zugang zu Angeboten der Grundversorgung und Daseinsvorsorge“, heiße es im Abschlussbericht der Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“.

An diesem Mittwoch wollen Innenminister Horst Seehofer (CSU), Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) die Ergebnisse vorstellen. Die Regierung will dann auch eine Neujustierung ihrer Struktur- und Förderpolitik beschließen, die nicht länger nach Ost und West, sondern nach „Bedarfslagen“ ausgerichtet werden soll. Dazu gehört auch die Selbstverpflichtung der Bundesregierung, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen als Richtschnur allen politischen Handelns zu nehmen.

Das Kabinett hatte die Kommission von Bund, Ländern und Kommunen im Juli 2018 eingesetzt. Im Mai legten insgesamt sechs Arbeitsgruppen ihre Abschlussberichte zu verschiedenen Themen vor.

Die Empfehlungen der Kommission gelten als Selbstverpflichtung der Bundesregierung und als Herzstück der sogenannten Heimatpolitik. Mit der Umsetzung will die Bundesregierung noch in dieser Wahlperiode beginnen. Ein Staatssekretärsausschuss soll die Umsetzung steuern. Ständige Mitglieder sind neun Ministerien und das Kanzleramt. Auch sei vorgesehen, die Schlussfolgerungen mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden gesondert zu erörtern. (dpa/red)

Das sind die sechs Arbeitsgruppen der Kommission:

  • Kommunale Altschulden (Vorsitz: Bundesministerium der Finanzen)
  • Wirtschaft und Innovation (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)
  • Raumordnung und Statistik (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat)
  • Technische Infrastruktur (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur)
  • Soziale Daseinsvorsorge und Arbeit (Bundesministerium für Arbeit und Soziales)
  • Teilhabe und Zusammenhalt der Gesellschaft (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)

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