Gotha . Der geniale DDR-Maler Werner Tübke sollte im Auftrag der Stasi ein berühmtes Gemälde von Schloss Friedenstein in Gotha kopieren.

Die Geschichte über den legendären Maler Werner Tübke, der im Auftrag der Stasi das berühmte Gemälde „Gothaer Liebespaar“ aus dem Schloss Friedenstein kopieren sollte, begann im Sommer 2002 bei einem Bier in kleiner Runde.

Einer der vier, die in Erfurt beisammensaßen, war Tübkes ehemaliger Assistent Roland M. Der erzählte plötzlich, bei ihm daheim liege ein Brief, in dem Tübke dem Ministerium für Kultur 1975 mitteilte, es sei ihm „ein Vergnügen“, das „Gothaer Liebespaar“ zu kopieren.

Der Journalist Matthias Thüsing war elektrisiert. Wenig später hielt er zwei Briefe im Original in Händen: die Anfrage der Stasi, die Antwort von Tübke. Thüsing war klar: Die Briefe könnten der Schlüssel zu einem bestens gehüteten Geheimnis sein, das um die Frage rankt: Haben die Stasi oder die Kommerzielle Koordinierung (KoKo) von Alexander Schalck-Golodkowski im großen Stil Kunstwerke fälschen lassen, um die Originale im kapitalistischen Ausland zu versilbern? Oder die genialen Fälschungen?

MDR zeigt Film über die KoKo

Gestern Abend, 17 Jahre und einige journalistische Rückschläge später, lief der Film „KoKo, Kunst und geraubte Kopien“ im MDR. Die Autoren, Romy Gehrke und Matthias Thüsing, hatten ihre Story nie aus dem Blick verloren. „Aber kaum ein Chefredakteur interessierte sich damals für die Geschichte“, berichtet Gehrke. Erst 2016 griff der MDR zu. Es begann die Intensivrecherche. „Dabei wurde trotz allen Schweigens der Beteiligten von damals immer deutlicher, dass die KoKo dort, wo sie es konnte, Kunst und Antiquitäten fälschen ließ.“

Im Sommer 2018 führte die Recherche nach Brandenburg zu Axel Hilpert. Der Mann war einst Schalck-Golodkowskis rechte Hand. Nach der Wende unterhielt er beste Beziehungen zu manchem Spitzenpolitiker.

Tagelang auf Informant gewartet

Als Hilpert, finanziert mit Landeskredit, ein nobles Hotel am Schwielowsee bei Potsdam eröffnete, gab sich dort jahrelang die Prominenz ein Stelldichein. Dann wanderte Hilpert wegen Subventionsbetrugs ins Gefängnis. Aber 2018, wenige Monate vor seinem Tod, hatte er schon Freigang.

Tagelang saßen Gehrke und Thüsing in der Lobby des Hotels. Mal hieß es, Hilpert sei bereit, sie zu sprechen. Doch er hielt sie nur hin.

„Das war nur einer von vielen Rechercheansätzen, die leider ins Leere liefen“, sagt Romy Gehrke. „Auch das Firmenarchiv der KoKo-Tochter Kunst & Antiquitäten GmbH war mit der Wende verschwunden. Und niemand der wenigen Verantwortlichen, die wir noch ausfindig machen konnten, wollte reden.“

Das Thema „Staatliche Kunstfälschung in der DDR“ ist nach Einschätzung von Thüsing und Gehrke nicht ansatzweise aufgearbeitet. Ein Beispiel: Viele Gemälde des 2016 in Düsseldorf verstorbenen Meisterfälschers Edgar Mrugalla landeten in der DDR, wohl im KoKo-Umfeld. Von Mrugallas Sohn weiß man: Bis zum Tod habe der Vater sich amüsiert, wie viele seiner Fälschungen in weltberühmten Museen hängen - als Meisterwerke anderer Künstler.

Das „Gothaer Liebespaar“ in Gotha ist übrigens echt.

Wie Gothas Oberbürgermeister die gestohlenen Gemälde angeboten wurden