Jena. Der EU-Abgeordnete Martin Schirdewan spricht mit dieser Zeitung über Thüringen und die sinkenden Fördergelder.

Martin Schirdewan (45) ist seit 2017 Mitglied des Europäischen Parlaments und seit 2019 Co-Vorsitzender der europäischen Linksfraktion. Wir sprachen mit ihm.

Sie haben neulich ein Wahlkreisbüro in Jena eröffnet. Wie oft sind Sie denn dort?

So oft mein Kalender mir das erlaubt. Leider hat das EU-Parlament aufgrund der Pandemie die Wahlkreiswochen abgesagt. Aber ich versuche trotzdem, Termine im Land wahrzunehmen.

Wenn Sie nicht im Parlament arbeiten, leben Sie in Ihrer Heimatstadt Berlin. Wie passt das mit Thüringen zusammen?

Das passt gut zusammen. Ich bin seit einigen Jahren im Linke-Landesverband hier in Thüringen verwurzelt und engagiere mich seitdem für die Region. Gerade als Fraktionsvorsitzender der Vereinten Europäischen Linken kann ich viel für Thüringen tun.

Was zum Beispiel?

Es geht ja gerade um das Budget der EU für die nächsten sieben Jahre. Hier sitze ich in der Runde der Fraktionsvorsitzenden, die mit der Kommission verhandelt, und setze mich dafür ein, dass die Fördergelder nicht so stark zurückgehen und dass möglichst viele Mittel in regionale Wirtschaftskreislaufe fließen. Auch in der Steuerungsgruppe zum Brexit setze ich mich für Thüringen ein, zum Beispiel für gute Rahmenbedingungen der Unternehmen.

Wie groß werden Einschnitte bei den EU-Fördergeldern sein?

Das wird gerade verhandelt, aber schon jetzt ist klar, dass die Einschnitte erheblich sein werden. Die Gründe sind bekannt. Zum einen ist Thüringen unter anderem nach sechs Jahren Rot-Rot-Grün wirtschaftlich stark genug, um nicht mehr zu stark geförderten Gebieten in der Union zu gehören. Zum anderen schrumpft durch den Austritt Großbritanniens das EU-Gesamtbudget. Aber wir versuchen, vor allem aus den Kohäsions- und Sozialfonds Mittel für Thüringen zu retten.

Und für die Landwirtschaft?

Natürlich. Es geht hier vor allem darum, nachhaltige Landwirtschaft zu fördern – und zwar auch in den Genossenschaften in Ostdeutschland. Ökologische Agrarwirtschaft, die das Klima schont, kann auch in Großbetrieben funktionieren.

In der Corona-Pandemie hat die EU einen Hilfsfonds aufgelegt – die aber nur langsam fließen. Warum dauert das so lange?

Die Mittel für kleine- und mittelständische Betriebe aus dem Programm der Europäischen Investitionsbank können abgerufen werden, der Zugang über die Landesbehörden muss aber noch besser und unbürokratischer werden. Was die Soforthilfen an die Länder wie Thüringen und damit auch indirekt die Kommunen betrifft, gibt es leider noch Unklarheiten. Wir als Linke sind dafür, dass keine Kofinanzierung nötig ist, dass also Land oder Kommune keinen Eigenanteil leisten müssen. Das würde vieles einfacher und schneller machen.