Apolda. Die Thüringer Grünen stimmen bei ihrem Landesparteitag in Apolda für den Eintritt in eine Minderheitsregierung. Es gibt aber Kritik am Ergebnis der Koalitionsverhandlungen mit Linke und SPD.

Die Grünen wollen die bisherige Koalition mit Linke und SPD als Minderheitsregierung fortsetzen. Das beschloss der Landesparteitag am Samstag in Apolda. 93 von 109 Delegierten stimmten mit Ja.

Die SPD hatte bereits auf einem Parteitag am Freitagabend ihre Zustimmung gegeben. Die Linken führen noch bis nächste Woche eine Mitgliederbefragung durch. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will sich Anfang Februar zur Wiederwahl im Landtag stellen.

Für Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition geworben

Vor der Abstimmung im Apolda hatten fast alle Redner für eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition geworben. Die geschäftsführende Umweltministerin Anja Siegesmund erklärte, dass die Grünen mit dem Versprechen für eine Mobilitätsgarantie oder für Personal in den Kindergärten viele Ziele im Koalitionsvertrag durchgesetzt hätten. Die Grünen gingen in Fortsetzung der Koalition, um wieder stärker zu werden, sagte Siegesmund. Die Landespartei müsse nach dem schlechten Landtagswahlergebnis von 5,2 Prozent neuen Mut fassen.

„Wir sind die Verantwortungspartei“, rief der Landtagsfraktionsvorsitzende Dirk Adams, der gemeinsam mit Siegesmund die Landespartei als Spitzenkandidat in die Wahl geführt hatte. Im Gegensatz zur FDP in Bund und Land stehle man sich nicht in die Opposition davon. Gleichzeitig übte Adams aber auch Selbstkritik. „Wir können mit diesem letzten Jahr nicht zufrieden sein“, sagte er. Trotz „des besten Rückenwinds für die Grünen, den es je gab“, habe die Partei Stimmenanteile eingebüßt.

Zuständigkeit für Migrationspolitik abgegeben

Der geschäftsführende Justizminister Dieter Lauinger beklagte, dass die Grünen in den rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen auf die Zuständigkeit für Migrationspolitik verzichtet hatten. „Ich halte es für einen Fehler, dass wir die Migration abgeben“, sagte er. Er erinnerte daran, dass seine Partei 2014 um diesen Bereich gekämpft hatte. Er könne nur hoffen, dass dies jetzt die richtige Entscheidung gewesen sei.

Auch die Flüchtlingsbeauftragte Mirjam Kruppa kritisierte, dass der Bereich „ohne Not“ abgegeben worden sei. Es handele sich bei der Zuwanderung um ein Thema, das für Thüringen zukunftsweisend sei.

Auch die Parlamentarische Landtagsfraktionsgeschäftsführerin Astrid Rothe-Beinlich sagte: „Es war ein strategischer Fehler, diesen Bereich aufzugeben.“

Vergeblich versucht, Ressort Landwirtschaft zu erhalten

In den Verhandlungen über die Minderheitsregierung hatten die Grünen vergeblich versucht, das Justiz- und Migrationsministerium gegen den gesamten Infrastrukturbereich einschließlich Landwirtschaft und Forsten zu tauschen. Stattdessen soll nun Siegesmund im Umweltressort für den kompletten Verbraucherschutz einschließlich Tierschutz verantwortlich sein. Der Preis war die Abgabe der Migrationszuständigkeit an das von der Linken geführte Sozialministerium.

Ungeklärt ist, wer künftig für die Grünen das Justizministerium führen soll. Der Landesvorstand hat sich per Beschluss darauf festgelegt, dass Lauinger nach den Amtsmissbrauchsvorwürfen gegen ihn nicht dem neuen Kabinett angehören soll. Adams, der kein Jurist ist, hatte diese Woche seinen Verzicht auf die Nachfolge erklärt.

Am Samstagnachmittag wollen die Grünen einen neuen Landesvorstand wählen. Für die Doppelspitze kandidieren die frühere Grüne-Jugend-Landeschefin Laura Wahl, die Weimarer Stadtratsfraktionschefin Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt, der einstige Geraer und Altenburger Schauspieldirektor Bernhard Stengele und der Erfurter Christian Möller.

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