Welche Fragen bewegen junge Menschen in Thüringen? Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der sechs Bundestagsparteien antworten.

Hajal, 24, aus Jena, und Kathrin Bohnit, 21, aus Gera, möchten wissen: „Warum wird es der unteren Schicht so schwer gemacht, was Bildung und Aufstiegsmöglichkeiten angeht? Was tun Sie gegen Bildungsungerechtigkeit?“ Das sind die Antworten der Kandidatinnen und Kandidaten.

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen)

Katrin Göring-Eckardt, Thüringer Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen
Katrin Göring-Eckardt, Thüringer Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen © Luise Giggel

Das ist schon gravierend, dass wir in einem reichen Land leben und am Ende stellt sich heraus, dass es laut Statistik vom Geldbeutel und der Bildung der Eltern abhängt, ob Kinder wirklich eine gleiche Chance haben. Deswegen müssen wir erstens dafür sorgen, dass es nicht am Geld hängen darf. Wir nennen das eine Kindergrundsicherung und die soll automatisch aufs Konto kommen, sodass man nicht noch irgendwelche Antragshuberei hat. Für die Leute mit geringem Einkommen gibt es dann noch etwas dazu. Das Zweite ist, wir müssen in unsere Schulen, in die Kitas, in die Horte, in die Ganztagsbetreuung investieren, sodass von Anfang an klar ist, es gibt gleiche Chancen. Es geht auch darum, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiterinnen, Schulpsychologen, Schulpsychologinnen zur Verfügung stehen.

Einen weiteren Punkt will ich nennen: Dort, wo es besonders viele – man nennt sie immer sozial schwach, aber eigentlich sind die ja nicht schwach, sondern sie werden ja schwach gemacht – Kinder sind, die mehr Bedürfnisse haben und mehr brauchen, da sollte auch mehr Geld hinfließen, als an andere Schulen. Da legt man sich dann vielleicht mal mit den Eltern aus dem Gymnasium an, aber das will ich gerne tun.

Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke)

Susanne Hennig-Wellsow, Thüringer Spitzenkandidatin der Partei Die Linke
Susanne Hennig-Wellsow, Thüringer Spitzenkandidatin der Partei Die Linke © Flora Hallmann

Bildungsgerechtigkeit beginnt damit, dass man alle Kinder betrachtet, wie sie sind. Wir wollen grundsätzlich eine beitragsfreie Erziehung und Bildung der Kinder vom Kindergarten bis zur Hochschule. Damit wollen wir versuchen, soziale Ungerechtigkeiten abzuschwächen und eine Chancengerechtigkeit im Leben zu ermöglichen.

Zum Zweiten wollen wir längeres gemeinsames Lernen. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche bis mindestens zur achten Klasse 8 gemeinsam miteinander lernen können, weil sich heterogene Klassen anders voranbringen als homogene Klassen.

Neben der Bildungspolitik geht es uns auch immer darum, dass das soziale Fundament für jeden Menschen stimmen muss. Wir wollen zum Beispiel eine Kindergrundsicherung mit unterschiedlichen Beträgen für unterschiedliche Altersstufen. Das soll dazu dienen, dass die soziale Lage der Eltern ein Stück weit abgefangen wird und Kinder unabhängiger sein können.

Also zum einen eine gerechte Bildungspolitik, die jede und jeden in den Blick nimmt und zweitens ein soziales Fundament für alle. Hinzu kommt auch die Ausstattung von Schulen, die in der Regel den kommunalen Bereich trifft.

Gerade die Ausstattung mit digitalen Geräten von jedem und jeder Schülerin. Da muss der Staat einfach noch mehr ran, das kann man nicht zu Lasten der Eltern machen.

Was tun Sie gegen Bildungsungerechtigkeit?

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    Gerald Ullrich (FDP)

    Gerald Ullrich, Thüringer Spitzenkandidat der FDP
    Gerald Ullrich, Thüringer Spitzenkandidat der FDP © Philipp Brendel

    Wir haben ein föderales Bildungssystem. Das ist gar nicht so schlecht auch was die Bildung angeht. Aber wir müssen doch die Ziele, die wir damit erreichen wollen, vereinheitlichen. Das heißt wir brauchen einheitliche Standards. Bei der mittleren Reife, beim Abitur. Wir müssen es aber den Schulen überlassen, wie sie diese Ziele erreichen. Denn dann haben wir, ohne Verlierer zu erzeugen, auch einen Wettbewerb zwischen den Schulen, auch zwischen den Bundesländern.

    Wer macht es denn wirklich am besten? Wer kommt am effektivsten dazu, den Kindern diesen Standard, der bundesweit festgelegt wird, zu erreichen? Das ist schon mal der Anfang.

    Dann darf es keine Unterschiede mehr geben, ob man aus einem Elternhaus kommt, wo schon Akademiker sind oder ob man aus einem Elternhaus kommt, in dem es eher prekäre Verhältnisse gibt. Das heißt, Bildung muss quasi kostenlos sein.

    Das müssen wir garantieren. Es muss eben auch für die, die nicht mitkommen, weil das Elternhaus das nicht finanzieren kann, die entsprechenden Zuschüsse geben. Aber es darf nicht mehr so sein, dass die Bildungschancen der Kinder vom Einkommen der Eltern abhängig sind.

    Stephan Brandner (AfD)

    Stephan Brandner, Thüringer Spitzenkandidat der AfD
    Stephan Brandner, Thüringer Spitzenkandidat der AfD © Flora Hallmann

    Ich sage mal objektiv, was die Möglichkeiten angeht, hat jeder in Deutschland die gleichen Chancen. Es wird ja nicht gesagt, für die eine Schule musst du Geld bezahlen und da darfst du nur hin, wenn du genug Geld hast. Es gibt Bafög. Ich kann keine riesengroße Bildungsungerechtigkeit in Deutschland erkennen. (Anm. der Redaktion: Hier könnt ihr mehr zur Bildungssituation in Deutschland erfahren). Jeder ist seines Glückes Schmied und jeder muss sich kümmern. Entweder er ist zufrieden, auch wenn er sich nicht gekümmert hat oder er muss aus eigenem Antrieb etwas ändern. Nicht jeder muss Abitur machen oder studieren. Im Gegenteil. Wir reden über Fachkräftemangel, den gibt es ganz breit gefächert. Viele Bildungswege ermöglichen hervorragende berufliche Chancen.

    Es geht um Familien mit geringerem Einkommen, die nicht immer die Möglichkeiten haben, ihre Kinder zu unterstützen, und die dadurch geringere Aufstiegschancen haben.

    Wie gesagt, ich kann eine solche Ungerechtigkeit nicht sehen. Ich bin sehr viel unterwegs und mich hat noch nie konkret einer darauf angesprochen und hat gesagt: „Ich würde gern studieren, aber ich kann es nicht, weil ich nicht genug Geld habe“ oder „Ich kann kein Abitur machen, weil meine Eltern nicht genug Geld haben.“ Die Fälle mag es geben, aber die erscheinen mir doch jetzt sehr abstrakt.

    Carsten Schneider (SPD)

    Carsten Schneider, Thüringer Spitzenkandidat der SPD
    Carsten Schneider, Thüringer Spitzenkandidat der SPD © Felix Apel

    Wir plädieren für mehr Gemeinschaftsschulen und die Unterstützung von SchülerInnen und Schulen, die eher in sozial schwächeren Gebieten liegen.

    Wie kommt die Kindergrundsicherung aus Ihrem Wahlprogramm in die Elternhäuser?

    Die Leistungen, die wir als Staat bereitstellen, sind teilweise gar nicht bekannt. Die muss man immer wieder neu beantragen. Wenn ich an junge Eltern oder Alleinerziehende denke, sind sie teilweise nicht in der Lage, das alles gleichzeitig zu beantragen, damit es einfacher wird, wollen wir alles bündeln.

    Es gibt das Kindergeld und den Steuerfreibetrag. Das Kindergeld ist niedriger als der Höchststeuerfreibetrag für die Höchstverdienenden. Das heißt, sie bekommen mehr pro Kind.

    Das ist im höchsten Maße ungerecht und das wollen wir abschaffen. Wir wollen eine Kindergrundsicherung machen. Die hat einen höheren Satz insgesamt. Dem Staat wird das nicht viel teurer kommen, weil wir Leistungen zusammenlegen, die es sonst einzeln gegeben hat.

    Was wollen Sie generell für Jugendliche, junge Menschen im Bereich schulische Bildung Bildung tun?

    Es gibt die Berufsausbildungsbeihilfe. Die wollen wir auch erhöhen und elternunabhängiger ausgestalten. Zumindest da, wo das Ausbildungsentgelt zu niedrig ist. Wir haben die Ausbeutung im Ausbildungsbereich abgeschafft. Es gibt jetzt eine Mindestausbildungsvergütung, unter die nicht drunter gegangen werden darf.

    Christian Hirte (CDU)

    Christian Hirte, Thüringer Spitzenkandidat der CDU
    Christian Hirte, Thüringer Spitzenkandidat der CDU © Martin Debes

    Aufgabe der Politik muss es immer sein, Aufstiegschancen zu bieten. Die Grundvoraussetzung dafür ist Bildung, und deshalb brauchen wir hervorragende Schulen, die gut ausgestattet sind. Außerdem brauchen wir die Unterstützung von schwächeren Schülern, gerade jetzt nach Corona, zum Beispiel durch Nachhilfe. Wir müssen gucken, dass niemand auf der Strecke bleibt. Deshalb ist übrigens ein differenziertes Schulsystem wichtig. Es gibt leistungsstarke Schüler, die man anders in Anspruch nehmen kann als die leistungsschwächeren.

    Sie haben gesagt, es gebe speziell wegen Corona noch Defizite auszugleichen und aufzuholen. Welche Instrumente hätten Sie da genau?

    Der Bund hat viel Geld in die Hand genommen und stellt das den Ländern zur Verfügung, die ja ausschließlich und alleine in der Verantwortung sind, sich um das Thema Bildung zu kümmern. Die Länder können damit verschiedene Nachhilfeprogramme anbieten. Der Bund hat zum Beispiel auch 6,5 Milliarden Euro für die Digitalisierung von Schulen zur Verfügung gestellt hat.

    Sie sind Landesvorsitzender der CDU. Welche Pläne hat denn die CDU für Thüringen, um die Millionen, die vom Bund kommen, sinnvoll einzusetzen?

    Kinder waren ja extrem unterschiedlich von der Corona-Pandemie betroffen. Wir haben Elternhäuser, die großen Wert darauf gelegt haben, mit auf die Schulaufgaben zu gucken.

    Es gab aber auch viele Kinder, die waren monatelang den halben Tag unbeaufsichtigt und haben dann vielleicht lieber Computer gespielt als Mathe gemacht. In den Schulen muss man deshalb schauen, wie die Situation des jeweiligen Kindes ist.

    Alle Fragen und die Antworten der Politikerinnen und Politiker:

    Was würde sich durch Ihr Mandat konkret verändern?

    Was tun Sie für junge Menschen, die sich in der Corona-Zeit von der Politik vergessen gefühlt haben?

    Warum muss ich mich impfen lassen, um meine Freiheit zurückzubekommen?

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    Was tun Sie, um das Klima für zukünftige Generationen zu retten?

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    Welche Lösungen haben Sie im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus?