Welche Fragen bewegen junge Menschen in Thüringen? Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der sechs Bundestagsparteien antworten.

Justin Bachmann, 18, aus Gera, und Leylo Gürbüz, 18, aus Jena, fragen: „Was tun Sie, um die Welt und das Klima zu retten, sodass zukünftige Generationen noch die gleichen Voraussetzungen haben wie Sie?“ Das sind die Antworten der Kandidatinnen und Kandidaten.

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen)

Katrin Göring-Eckardt, Thüringer Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen
Katrin Göring-Eckardt, Thüringer Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen © Luise Giggel

Ich stell mir immer vor – meine Enkel, die sind deutlich jünger als ihr – die fragen mich mal in zwanzig Jahren, was habt ihr denn damals so gemacht? Und dann soll ich sagen, ach, wir haben total viel Geld gespart und haben es aber leider nicht geschafft, die Bildungsmisere und die Klimakrise zu bewältigen. Das ist total absurd. Und deshalb müssen wir dafür jetzt auch Geld ausgeben. Es geht um Wachstum an der richtigen Stelle, wenn es um das Ökologische geht. Beim Klimaschutz gibt es ein paar ganz einfache Maßnahmen, die kosten nichts, und lassen sich schnell umsetzen, wie 130 km/h auf der Autobahn.

Dann gibt es Sachen, die sind komplizierter: Wie schaffen wir den Umstieg in der Landwirtschaft, raus aus der Massentierhaltung hin zu einer vernünftigen Agrarpolitik, mit der man auch CO2 einsparen kann. 25 Prozent dessen, was wir an CO2 einsparen können, kommt aus dem Gebäudebereich. Wie sanieren wir Gebäude so, dass wir Energie sparen können? Wie sorgen wir dafür, dass die Häuser begrünt werden? Es ist inzwischen so, dass es manchmal im Sommer bis zu zehn Grad heißer in der Innenstadt einer Großstadt ist als außerhalb. Das hat auch Auswirkungen auf die Gesundheit.

Zudem sollte auf jedes neue Dach und jedes Dach, das saniert wird, eine Solaranlage, das ist auch wieder ein Arbeitsplatzargument für die Handwerkerinnen und Handwerker. Ich möchte klar sagen, wer pendeln muss, der muss auch weiterhin Unterstützung bekommen. Das nächste Auto soll dann allerdings so bezuschusst sein, dass es ein elektrisches sein kann, das sich auch Menschen mit einem kleinen Geldbeutel leisten können, die vielleicht auf dem Land leben, in Schichten arbeiten und gar nicht anders können – selbst wenn der ÖPNV besser ausgebaut worden ist.

Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke)

Susanne Hennig-Wellsow, Thüringer Spitzenkandidatin der Partei Die Linke
Susanne Hennig-Wellsow, Thüringer Spitzenkandidatin der Partei Die Linke © Flora Hallmann

Für uns ist das Wichtigste, ein soziales Fundament zu schaffen, damit jeder und jede existenziell gesichert ist. Das haben wir im Wahlprogramm mit 1200 Euro festgeschrieben. Das ist noch kein Grundeinkommen, aber eine Sicherung, damit niemand abstürzt. Gleichzeitig müssen wir mit einer radikalen Klimapolitik beginnen, also dringender Ausbau des ÖPNV. Das geht damit einher, dass öffentlicher Verkehr auch bezahlbar sein muss, damit er genutzt wird.

Den Individualverkehr wollen wir so weit wie möglich unnötig machen. Das Zweite ist, den Umstieg auf erneuerbare Energien deutlich auszubauen und deutlich schneller auf den Weg zu bringen, als das bisher der Fall ist. Der dritte Punkt ist, den ganzen Industriebereich klimaneutral zu gestalten. Das heißt, CO2-Ausstöße zurückzudrängen und gleichzeitig die Industrie mit finanziellen Mitteln zu unterstützen, sodass eine solche Transformation auch stattfinden kann.

Ich glaube, dass wir trotzdem eine deutliche Veränderung unserer Lebensbedingungen erfahren werden. Es zeigt sich jetzt schon, dass uns ein Teil des Klimawandels erreicht: Das mag die Flut sein, das mögen heiße Sommer sein. Wenn man sich Studien anschaut, wie sich die Regionen entwickeln, dann werden wir erleben, dass unsere Lebensgrundlage deutlich anders aussehen wird als noch vor zehn Jahren. Das heißt, die heutige Jugend wird schon anders aufwachsen als wir.

Der Klimawandel ist schon da. Städtebau, Infrastruktur, Versorgung mit Wasser und Sicherung von Agrarflächen, all das gehört dazu, um weiterhin sorgenfreies Leben möglich zu machen.

Was tun Sie, um das Klima für künftige Generationen zu retten?

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    Gerald Ullrich (FDP)

    Gerald Ullrich, Thüringer Spitzenkandidat der FDP   
    Gerald Ullrich, Thüringer Spitzenkandidat der FDP   © Philipp Brendel

    Wir müssen versuchen, durch Innovationen weniger CO2 auszustoßen. Dieses Null-CO2 halte ich für illusorisch (Anm. der Redaktion: Gemeint ist das Konzept Netto-Null, bei dem eine CO2-neutrale Klimabilanz erreicht werden soll). Was wir immer noch zu viel in der Bilanz haben, müssen wir durch CO2-Senken, die wir auch durch geschickte Maßnahmen erzeugen können, eliminieren. Das bekommen wir durch Innovationen und Wachstum hin, das kann ich nur immer wieder sagen.

    Leylo hat im Interview nach weiteren konkreten Maßnahmen gefragt.

    Schauen wir mal darauf, was in Deutschland allein mit dem Wald los ist: Wir haben ein riesengroßes Problem mit dem Wald. Ein einziger Hektar normaler Wald sammelt pro Jahr acht Tonnen CO2. Wir haben viele hunderttausend Hektar Wald, die uns im Moment verloren gehen, weil wir dort Probleme haben. Die Probleme sind auch durch den Klimawandel erzeugt.

    Aber sie werden nicht scharf genug angegangen. Wenn wir in andere Teile der Welt schauen, was mit Wäldern passiert, dann ist es dort unsere politische Aufgabe, zu handeln. Wir müssen mit den Menschen dort sprechen und ihnen sagen, dass sie ihre Wälder in Ruhe lassen. Dann müssen wir denen vielleicht auch Geld dafür zahlen, dass sie genau das Gegenteil machen, nämlich mehr Wald anpflanzen, als nur den Wald abzuholzen.

    Das geht auch mit den CO2-Zertifikaten. Wenn ich die CO2-Zertifikate als negative Zertifikate ausstelle, kann ich sie auch als positive ausstellen. Das heißt, man gibt jemandem, der Wald anpflanzt, ein positives Zertifikat, das er mit einem negativen Zertifikat ausgleichen kann. Er kann also ein Produkt erzeugen, bei dem CO2 entsteht, weil er ein positives Zertifikat hat. Das sind auch Innovationen. Innovationen sind nicht nur technisch, sondern auch politisch möglich.

    Stephan Brandner (AfD)

    Stephan Brandner, Thüringer Spitzenkandidat der AfD
    Stephan Brandner, Thüringer Spitzenkandidat der AfD © Flora Hallmann

    Da kann ich nichts versichern, ich weiß ja nicht, wie sich das Klima entwickelt. Das ändert sich seit Jahrmilliarden, da kann ich nicht den nächsten Generationen sagen, wir haben diese oder jene Temperatur. Ich finde es völlig absurd, Klimapläne über 50 Jahre aufzustellen und zu sagen: So wird das dann sein (Anm. der Redaktion: Der Nationale Energie- und Klimaplan der Bundesregierung ist eine Zielsetzung, keine Prognose).

    Wie bei der 1,5- oder 2-Grad-Geschichte. Dabei beantwortet dir ja auch keiner die Frage: 1,5 oder 2 Grad von welcher Temperatur ausgehend denn? Völlig willkürlich an den Haaren herbeigezogen. (Anm. der Redaktion: Das Ziel, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, bezieht sich auf die durchschnittliche Temperatur im Jahr 1850, also in vorindustriellen Zeiten. Die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur könnt ihr hier nachlesen.)

    Man kann den nächsten Generationen nichts versichern, weil ich nicht weiß, wie sich das Klima oder das Wetter entwickelt (Anm. der Redaktion: Hier könnt ihr schauen, wie sich die Klimakrise bis zum Ende des Jahrhunderts auf eure Region auswirkt). Im Prinzip ist jede Generation auch ihres eigenen Glückes Schmied. Die Generation vor mir hatte riesen Probleme, die hatte auch nicht damit gerechnet, dass Deutschland in Trümmern liegt nach dem Krieg. Jede Generation ist gefragt, ihr Glück selbst zu gestalten.

    Welche Maßnahmen schlagen Sie gegen den menschengemachten Klimawandel vor?

    Selbstverständlich hat der Mensch einen Einfluss auf das Klima. Vor 50 Jahren gab es noch etwa die Hälfte der Menschen, die es heute in der Welt gibt. Die Menschen roden also auch mehr Wälder, halten mehr Tiere, sie brauchen mehr landwirtschaftliche Flächen.

    Vielleicht denken wir mal drüber nach, dass wir gerade die Erdteile, die tatsächlich eine Bevölkerungsexplosion erleben, Afrika beispielsweise, reglementieren. Es würde viel mehr bringen, wenn man versucht, da eine Geburtenkontrolle hinzubekommen (Anm. der Redaktion: Die Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent wächst Prognosen zufolge bis 2050 auf das Doppelte. ABER: Der CO2-Ausstoß pro Kopf liegt in Afrika unter einer Tonne pro Kopf, das ist ein Zehntel vom Pro-Kopf-Ausstoß in Europa. Das Bevölkerungswachstum an sich ist deshalb nicht entscheidend). Dass Menschen Einfluss auf das Klima haben, losgelöst vom CO2, das will ich nicht in Abrede stellen.

    97 bis 98 Prozent der Klimaforscherinnen und -forscher sagen, der Mensch hat einen großen Einfluss auf den Klimawandel, und zwar gerade wegen des CO2-Ausstoßes. Das kann man gar nicht voneinander loskoppeln.

    Das sehe ich anders. Und wenn sie jetzt 97 Prozent erwähnen – ich weiß nicht, was für Klimaexperten das sein sollen (Anm. der Redaktion: Es handelt sich um den Weltklimarat). Es wird welche geben, die das vertreten. Aber aus meiner Sicht gibt es auch Experten, die sagen, das kann so nicht sein.

    Wenn Sie sich die CO2-Konzentrationen der letzten 150 Jahre anschauen, dann hat sich da nichts geändert (Anm. der Redaktion: Seit Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre von 280 ppm um gut 44 Prozent auf etwa 400 ppm gestiegen).

    Carsten Schneider (SPD)

    Carsten Schneider, Thüringer Spitzenkandidat der SPD
    Carsten Schneider, Thüringer Spitzenkandidat der SPD © Felix Apel

    Die Welt steht nicht vor dem Abgrund. Man muss aufpassen, dass man nicht allzu sehr Weltuntergangsszenarien verbreitet. Ich kenne hier in Thüringen noch eine Natur, wo die Flüsse alle vergiftet waren. Jetzt habe ich in dem Fluss Gera wieder Bachforellen gesehen und in der Saale gab es auch mal keinen Fisch. Das ist heute auch anders.

    Gerade die Umweltverschmutzung und der menschengemachte Klimawandel kann wieder zurückgedreht werden (Anm. der Redaktion: Bestimmte Veränderungen, die der Klimawandel bereits verursacht, können nicht rückgängig gemacht werden, zum Beispiel das Schmelzen der Eisschicht auf Grönland) und dadurch können auch zusätzliche Gewinne erzielt werden. Nicht zuletzt, weil wir technologisch führend sind.

    Und was Einzelmaßnahmen betrifft: Ich glaube, es kommt auf die Entschlossenheit und die Summe an, die dazu führen, dass wir eine Trendumkehr haben. Die haben wir aber aus meiner Sicht in weiten Teilen der Wirtschaft schon erreicht.

    Ein Vergleich der Wahlprogramme und des Koalitionsvertrag vor vier Jahren mit den heutigen zeigt, dass der Bereich Naturschutz und Klima die Nummer 1 ist. Das steht auch ganz oben bei der SPD. Es ist auch die Nr. 1 bei fast allen Parteien. Es wird in der kommenden Regierung ein Thema sein, in das alles zusätzlich zur Verfügung stehende Geld als Schwerpunkt hereingehen wird. Und das ist ein riesengroßer Unterschied.

    Christian Hirte (CDU)

    Christian Hirte, Thüringer Spitzenkandidat der CDU
    Christian Hirte, Thüringer Spitzenkandidat der CDU © Martin Debes

    Klimaschutz ist keine nationale, sondern eine internationale Aufgabe. Unser Ziel in der nationalen Klimaschutzpolitik muss es sein, das international zu koordinieren. Wir gehen technologisch voran, mit dem, was wir bisher schon gemacht haben. Wir haben wie kein anderes Land CO2-Emissionen reduziert, um 40 Prozent seit 1990.

    Wir bestreiten unsere Stromversorgung mittlerweile zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien. Künftig muss es darum gehen, dass wir diesen Weg weiter beschreiten. Das machen wir mit Marktmechanismen, indem wir den CO2-Ausstoß bepreisen.

    Und das müssen wir international abstimmen, um einen internationalen CO2 Zertifikate-Handel auf den Weg zu bekommen.

    Und um sicherzustellen, dass wir nicht alleine, sondern mit ganz vielen anderen in Europa und international den Klimaschutz vorantreiben.

    Alle Fragen und die Antworten der Politikerinnen und Politiker:

    Was würde sich durch Ihr Mandat konkret verändern?

    Was tun Sie für junge Menschen, die sich in der Corona-Zeit von der Politik vergessen gefühlt haben?

    Warum muss ich mich impfen lassen, um meine Freiheit zurückzubekommen?

    Warum muss Deutschland das Klima retten, aber größere Verursacher werden nicht zur Verantwortung gezogen?

    Warum hört die Politik nicht auf die Wissenschaft?

    Warum verdienen Auszubildende in sozialen Berufen so wenig Geld?

    Warum verdienen Pflegekräfte so wenig, trotz ihres harten Jobs?

    Was tun Sie gegen Bildungsungerechtigkeit?

    Welche Lösungen haben Sie im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus?