Gerlinde Sommer zum jüngsten Karlsruher Urteil.

Eigentlich ist für mich ganz klar: Ich möchte nicht, dass Schwerstkranke den Eindruck haben, sie sollten vorzeitig aus dem Leben scheiden, weil das Angehörigen Zeit und Leid sowie Kassen viel Geld erspart. Ich möchte nicht, dass der Mensch in seinem Leiden eine Abwertung erfährt. Ich möchte nicht, dass ein Klima in diesem Land Einzug hält, das Alte und Schwache an den Abgrund stellt – und ihnen daher der Tod als Perspektive erscheint.

Es heißt: Du sollst nicht töten. Und das schließt die Hilfe zum Sterben etwa aus Mitleid mit ein.

Du sollst nicht: Das heißt aber auch, dass Situationen denkbar sind, in denen die Hilfe zu einem gnädigen Tod geboten sein kann. Das mag sich jetzt sehr theoretisch anhören. Aber für mich ist dieses Thema ganz nah. Der Sohn einer Freundin, die ich schon aus Kindergartentagen kenne, leidet an MS. Er ist ein Mann in den 30ern, Vater zweier kleiner Kinder – und mittlerweile so schwach, dass er nichts mehr alleine machen kann. Selbst seine Stimme wird immer schwächer. Sein Wunsch zu sterben ist massiv und mehr als der Ausdruck einer Depression. Es ist die Hoffnungslosigkeit, die ihn den Tod herbeisehnen lässt. Denn es gibt nicht einmal die Aussicht, seinen jetzigen Zustand zu stabilisieren.

Eltern und Geschwister umsorgen ihn. Sein Wunsch, bald sterben zu dürfen, trifft sie im Innersten und zerreißt sie schier. Noch bliebe nur die Fahrt in die Schweiz ...

Das kann nicht die Lösung sein. Insofern bin ich froh um das jetzt in Karlsruhe gesprochene Urteil. Es lastet nicht länger die schwerste Entscheidung allein auf den Angehörigen und auf einigen Ärzten.

Ja, jeder einzelne Mensch, der den Tod wünscht, muss genau betrachtet werden. Es muss Hilfe geben, um Weiterleben zu ermöglichen. Und es muss in genau geprüften Fällen Hilfe geben, um in Würde sterben zu dürfen.

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