Sibylle Göbel zu den Vorfällen bei der Awo.

Die jüngste Ankündigung des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt (Awo) wirkt nicht einfach nur hilflos, sie ist peinlich. Denn wenn der Landesvorsitzende schon einmal prophylaktisch anmerkt, dass die Geschäftsführer-Verträge, die der Bundesverband jetzt prüfen will, lange vor der Festlegung verbindlicher Richtlinien für die Vergütung von Awo-Chefs geschlossen wurden, dann heißt das nichts anderes als: Die Verträge entsprechen diesen Richtlinien nicht. Und weil die Richtlinien erst Ende 2017 verabschiedet wurden, ist an den bestehenden Verträgen nun – leider, leider – nichts mehr zu ändern.

Damit stellt sich der Landesverband, bekanntlich einer der beiden Gesellschafter der Awo-Tochter AJS, gleich selbst einen Persilschein aus. Indem er sagt, dass die Richtlinien noch nicht galten, als die Entscheidung über die Gehälter fiel, spricht er sich von jeglicher Schuld frei. Dabei hätte er spätestens Mitte 2016, als eine anonyme Anzeige schon einmal die mutmaßlich „ausufernde Selbstbedienungsmentalität“ der Awo-/AJS-Spitze aufs Tapet brachte, die Verträge eingehend prüfen müssen. Dass sich die Gehälter von Awo-Managern an denen von Führungskräften im öffentlichen Dienst orientieren sollen, diese Maßgabe galt schließlich schon vor Verabschiedung der neuen Richtlinien.

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Doch auch der Bundesverband muss sich die Frage gefallen lassen, was er da eigentlich geprüft hat, als er 2016/2017 wegen der Anzeige schon einmal beim Thüringer Landesverband vorsprach. Fiel ihm da nichts auf? Und wenn das so ist: Warum muss er die Verträge dann jetzt erneut unter die Lupe nehmen?

Das sieht doch alles sehr nach Alibi-Transparenz mit bereits feststehendem Ergebnis aus. Und nicht nach Selbstreinigungsprozess und danach, als wolle der Bundesverband mit aller Konsequenz die eigenen Durchgriffsmöglichkeiten gegenüber Kreis- und Landesverbänden nutzen. Aber wie sollte er das auch: Das Personal an der Bundesspitze ist ja dasselbe wie vor drei Jahren.

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