Berlin. Nach gut einem Jahr als Parteichefin wirft sie hin: Susanne-Hennig Wellsow erklärt mit sofortiger Wirkung ihren Rücktritt. Sie führt unter anderem private Gründe an.

Die Co-Chefin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, tritt zurück. "Ich stelle heute mein Amt als Parteivorsitzende der Linken mit sofortiger Wirkung zur Verfügung", schrieb die 44-Jährige am Mittwoch auf ihrer Webseite.

In ihrer Erklärung begründete die 44-Jährige den Schritt unter anderem mit nicht erfüllten Erwartungen bei der Erneuerung der Partei. "Wir haben zu wenig von dem geliefert, was wir versprochen haben. Ein wirklicher Neuanfang ist ausgeblieben. Eine Entschuldigung ist fällig, eine Entschuldigung bei unseren Wählerinnen und Wählern, deren Hoffnungen und Erwartungen wir enttäuscht haben."

Erneuerung sei nötig, "und diese Erneuerung braucht neue Gesichter, um glaubwürdig zu sein", schrieb Hennig-Wellsow. Die Linke habe es verdient, von Menschen geführt zu werden, die Anhängern und Mitgliedern wieder Mut machten.

Ausgebliebener Neuanfang

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Gut ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl war sie auf einem Parteitag gemeinsam mit Janine Wissler an die Spitze der Linken gewählt worden. Die Partei war bei der Wahl dann deutlich von 9,2 auf 4,9 Prozent abgerutscht und nur wegen dreier Direktmandate überhaupt wieder ins Parlament eingezogen. Anschließend kam es zu heftigen innerparteilichen Diskussionen über die Ursachen und den richtigen Kurs. Unter Druck kam dabei auch die Parteispitze mit Hennig-Wellsow, die im Wahlkampf persönlich offensiv für ein Regierungsbündnis mit SPD und Grünen auf Bundesebene geworben hatte, was nicht überall in der Partei ankam. Wissler äußerte sich am Mittwoch zunächst nicht zum Rücktritt ihrer Co-Chefin.

Hennig-Wellsow führte für ihre Entscheidung auch private Gründe an. Sie habe einen achtjährigen Sohn, der sie brauche. "Aber auch die Linke braucht in dieser Situation eine Vorsitzende, die mit allem, was sie hat, für die Partei da ist." Zudem erwähnte sie den Umgang mit Sexismus in den eigenen Reihen. Dieser habe eklatante Defizite der Partei offen gelegt. Am vergangenen Freitag waren über einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" mutmaßliche Fälle sexualisierter Gewalt in der hessischen Linkspartei öffentlich geworden. Am Mittwochabend wollte der Bundesvorstand der Linken darüber beraten.

Blumenwurf vor Kemmerichs Füße

Der auf dem Boden liegende Blumenstrauß.
Der auf dem Boden liegende Blumenstrauß. © Sascha Fromm | Sascha Fromm

Hennig-Wellsow und Wissler hatten am 27. Februar 2021 das langjährige Führungsduo Katja Kipping und Bernd Riexinger abgelöst, die auf eine weitere Amtszeit als Parteivorsitzende verzichtet hatten. Bevor Hennig-Wellsow im September in den Bundestag gewählt wurde, war sie 17 Jahre lang Abgeordnete im Thüringer Landtag, seit 2014 auch als Fraktionsvorsitzende. In diesem Amt erlangte Hennig-Wellsow bundesweite Bekanntheit, als sie im Februar 2020 dem damals mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählten FDP-Politiker Thomas Kemmerich einen Blumenstrauß vor die Füße warf.

Parteimitglied will sie weiterhin bleiben und auch ihr Bundestagsmandat weiter wahrnehmen, erklärte Hennig-Wellsow. Wie die Besetzung an der Parteispitze künftig aussehen könnte, blieb am Mittwoch unklar. Für den 24. bis 26. Juni ist schon lange ein Parteitag in Erfurt geplant. Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler schrieb am Mittwoch bei Twitter, er werde vorschlagen, dass dort der Parteivorstand neu gewählt werde.