Tokio. Machthaber Kim Jong Un hat eine neue atomwaffenfähige Rakete testen lassen. Analysten im Nachbarland nennen sie „einschüchternd“.

Kim Jong Un war am Freitag gut drauf. Denn die Feinde Nordkoreas, erklärte der „Oberste Führer“ des totalitär regierten Staats, würden „extreme Nervosität und Schrecken“ verspüren.

Kurz zuvor habe er den Start einer Interkontinentalrakete beaufsichtigt, die mit einer Reichweite von mehreren tausend Kilometern auch die USA erreichen könnte. Und nicht nur das: Dies sei die mächtigste Waffe des Nukleararsenals Nordkoreas und werde mit Festbrennstoff betrieben.

Analysten im mit Nordkorea seit Jahrzehnten verfeindeten Südkorea haben bestätigt, dass die Nachricht tatsächlich „einschüchternd“ sei. Dies begründe sich nicht nur in der offenbaren Reichweite der Rakete, sondern auch in deren Antrieb. Festbrennstoff lässt sich leichter bewegen und verstecken als ein flüssiges Äquivalent. Vorbereitungen zum Abfeuern einer solchen Rakete ließen sich also besser unbeobachtet vollziehen, sodass es anderen Staaten auch schwerer falle, dagegen kurzfristig Vorkehrungen zu treffen.

Nordkorea: Kim Jong Un will das Waffenarsenal ausbauen

Für Nordkorea ist es der erste Test einer ballistischen Interkontinentalrakete seit rund einem Monat. Inmitten globaler Spannungen hat Kim Jong Un im vergangenen Jahr so viele Raketentests durchführen lassen wie nie zuvor. Und es könnten in Kürze noch mehr werden. Am Samstag feiert das Land den 111. Geburtstag von Kim Jong Uns Großvater, Staatsgründer Kim Il Sung. Ohnehin hat dessen heute regierender Enkel Kim angekündigt, das Waffenarsenal auf „praktischere und offensivere“ Art ausbauen zu wollen.

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International sind die Reaktionen auf den Raketentest noch etwas deutlicher als bei vielen vorigen Tests. Dylan White, Sprecher des westlichen Militärbündnisses Nato, sagte kurz nachdem er Kenntnis vom Abschuss erhalten hatte: „Diese Provokationen von Pjöngjang untergraben die regionale und internationale Sicherheit. Nordkorea muss sein rücksichtsloses Verhalten beenden, von seinen rechtswidrigen Programmen nuklearer und ballistischer Raketen Abstand nehmen und sich in aufgeschlossener Diplomatie üben.“

Dieses von Nordkoreas offizieller Zentraler Nachrichtenagentur (KCNA) am 14. April veröffentlichte Bild soll den Testabschuss der neuen Hwasongpho-18 ICBM zeigen. Nordkorea erklärte, es habe erfolgreich eine Interkontinentalrakete mit festem Treibstoff getestet.
Dieses von Nordkoreas offizieller Zentraler Nachrichtenagentur (KCNA) am 14. April veröffentlichte Bild soll den Testabschuss der neuen Hwasongpho-18 ICBM zeigen. Nordkorea erklärte, es habe erfolgreich eine Interkontinentalrakete mit festem Treibstoff getestet. © AFP | Photo by KCNA VIA KNS

Im benachbarten Japan wurden in Hokkaido, der Nordinsel des Landes, die Menschen aufgefordert, Schutz zu suchen. Denn in der Vergangenheit sind in Nordkorea getestete Raketen immer wieder in japanischen Gewässern gelandet. Die Angst davor, dass die japanische Bevölkerung getroffen werden könnte, nimmt offenbar zu – zumal Japan zwar gerade erst eigens eine deutliche Aufrüstung beschlossen hat, diese aber noch im Gange ist. Ebenso in Südkorea, wo man das nordkoreanische Feuerwerk eigentlich seit Jahren gewohnt ist, nimmt die Vorsicht nun zu.

Nordkorea sieht sich durch die Präsenz der USA in Südkorea bedroht

In einem am Freitag vom südkoreanischen Vereinigungsministerium veröffentlichten Whitepaper fordert Seoul Pjöngjang praktisch dazu auf, sein Atomprogramm zu beenden. In bisherigen Papieren hat die Regierung in diesem Zusammenhang stets von „Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel“ gesprochen, offenbar mit dem Hinweis, dass sich im Gegenzug auch das in Südkorea stationierte US-Militär reduzieren müsste. Die seit einem Jahr amtierende konservative Regierung um Yoon Suk-yeol will mit ihrer neuen Formulierung offenbar den Druck auf Nordkorea erhöhen.

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Diese von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA am 14 April 2023 zur Verfügung gestellte Aufnahme soll nach Angaben von KCNA Kim Jong Un (M), Machthaber von Nordkorea, und seine Tochter (l) beim Beobachten des Starts einer ballistischen Interkontinentalrakete vom Typ Hwasong-18 am 13.04.2023 zeigen.
Diese von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA am 14 April 2023 zur Verfügung gestellte Aufnahme soll nach Angaben von KCNA Kim Jong Un (M), Machthaber von Nordkorea, und seine Tochter (l) beim Beobachten des Starts einer ballistischen Interkontinentalrakete vom Typ Hwasong-18 am 13.04.2023 zeigen. © dpa | Uncredited

Wobei die nordkoreanische Rhetorik eine andere ist. Dort sieht man sich von der Militärpräsenz der USA in Südkorea bedroht. Diese wiederum dient Pjöngjang auch als Rechtfertigung für das eigene Waffenprogramm, das in ökonomisch schwierigen Zeiten auch noch verstärkt wird. Dabei hat sich Kim Jong Un zuletzt wiederholt öffentlich eingestanden, dass die Entwicklungsziele nicht erreicht worden sind. Nicht nur die seit 2017 verstärkten UN-Sanktionen haben Nordkoreas Wirtschaft geschwächt, sondern auch die Pandemie. Derzeit dürften enorme Ernährungsengpässe bestehen.

Zugleich gehört Nordkorea – zumindest auf diplomatischer Ebene – zu den Gewinnern des russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Denn durch die diplomatische Isolation Russlands hat Moskau begonnen, sich anderen Staaten anzunähern, die vom Westen ebenfalls mit Sanktionen belegt sind. Dazu gehört auch Nordkorea. So dürfte man in Pjöngjang von der Empörung seitens der Nato, Japans und Südkoreas über den jüngsten Raketentest kaum beeindruckt sein – vielmehr eher ermutigt, genauso weiterzumachen.

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