Weimar/Erfurt. 32 Thüringer Hochschullehrer ziehen vors Bundesverfassungsgericht. Sie wollen mehr Mitbestimmung.

Eine Gruppe Thüringer Professoren will das neue Hochschulgesetz des Landes kippen. Insbesondere die paritätische Besetzung der internen Entscheidungsgremien sei verfassungswidrig, sagte Donnerstag der Landeschef des Hochschulverbandes, Klaus Gürlebeck, dieser Zeitung.

Weil das Gesetz die Freiheit von Forschung und Lehre gefährde, hätten nun 32 Hochschullehrer dagegen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

Das vor einem guten Jahr mit rot-rot-grüner Mehrheit verabschiedete Gesetz sieht vor, dass etwa im Senat oder den Fakultätsräten Lehrende, Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter sowie Verwaltungs- und Technikpersonal mit jeweils gleicher Stimmenzahl vertreten sind.

„Machtbalance stimmt nicht mehr“

„Nur in reinen Fragen von Forschung und Lehre können die Gremien mit Hochschullehrern aufgestockt werden, um eine theoretische Mehrheit der Hochschullehrer zu ermöglichen“, sagte Gürlebeck, der an der Bauhaus-Universität in Weimar den Lehrstuhl für angewandte Mathematik inne hat. Dies widerspreche dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 zur Medizinischen Hochschule Hannover.

Zudem ist für Gürlebeck nicht trennscharf geklärt, was zu Forschung und Lehre gehöre – und was nicht. „Bei derartigen Kontroversen sieht das Gesetz Schlichtungsprozeduren vor, an deren Ende eine Entscheidung des Präsidenten steht“, sagte er. Abgesehen von der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen werden damit auch die Entscheidungsprozesse verlangsamt“ – und diese wiederum beeinträchtige die Handlungsfähigkeit der Hochschulen.

Außerdem, sagte der Weimarer Professor, stimme die Machtbalance zwischen den Hochschullehrern und dem Präsidium nicht mehr. Der Erfurter Staatsrechtler Hermann-Josef Blanke formuliert es klarer: Die Hochschullehrer könnten nicht mehr selbstbestimmt und gegen die Stimmen der anderen eine Hochschulleitung absetzen. Er fungiert als Prozessbevollmächtigter seiner Kollegen.

Gürlebeck wollte nicht die Namen der übrigen Kläger nennen. Ein größerer Teil, sagte er, arbeite an der Universität Jena. Andere kämen von der Universität Erfurt, der Bauhaus-Universität sowie der Musikhochschule in Weimar, der TU Ilmenau und der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena. Da ein Urteil nationale Bedeutung erlangen werde, ziehe man nicht vor das Thüringer Verfassungsgericht in Weimar, sondern nach Karlsruhe. Allerdings muss das Bundesverfassungsgericht erst noch über die Zulassung der Beschwerde entscheiden.

Tiefensee und Koalition geben sich gelassen

Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte am Donnerstag auf Anfrage, er sehe die Beschwerde gelassen. Die Karlsruher Rechtssprechung sei „in vollem Umfang“ in das Gesetz eingearbeitet worden. „Die Hochschullehrermehrheit ist in allen Fragen von Forschung und Lehre sichergestellt“, erklärte er. Thüringen habe ein „ausgewogenes, modernes und verfassungskonformes Hochschulgesetz“.

Ähnlich äußerten sich auch die Koalitionsfraktionen. „Mit dem Gesetz haben wir einen wichtigen Schritt zur Demokratisierung im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit gemacht“, sagte der Linke-Abgeordnete Christian Schaft. Die grüne Abgeordnete Madeleine Henfling sagte, dass die Frage der Senatsbesetzung „natürlich“ in die verfassungsrechtlichen Abwägungen einbezogen worden sei.

Ganz anders reagierte die oppositionelle CDU. Die Verfassungsbeschwerde zeige genau die Gefahren, vor denen immer gewarnt wurde, sagte der Landtagsabgeordnete Mario Voigt dieser Zeitung. Das Gesetz lähme die Hochschulen durch die Gefahr endloser Debatten. Wichtige Entscheidungsprozesse würden so verzögert.

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