Erfurt. Der Wahlkampf für eine Neuwahl ist abgeblasen, für den Thüringer Politikbetrieb bedeutet das Zeit, sich zu sammeln und neu zu sortieren. Ende August will die Landesregierung neue Weichen stellen.

Nach dem Aus für die angepeilte Neuwahl des Landtages will Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung Ende August bei einer Klausur beraten, wie sie ihre Arbeit fortsetzen kann. "Wir sehen ein gutes Fundament, um in dieser Regierung die nächsten Monate und Jahre zu gestalten", sagte Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Dienstag in Erfurt. Aber man habe eine besondere Situation und man müsse auch überlegen, wie das Verhältnis zum Parlament und zum Bürger zu regeln sei.

An die Adresse des Parlaments sagte Tiefensee: "Es ist jetzt nicht mehr die Zeit der Herabwürdigung, sondern es ist höchste Zeit, dass wir ein konstruktives, sachorientiertes und auch streitiges Miteinander finden."

Linker, SPD und Bündnis 90/Die Grünen fehlen im Thüringer Landtag vier Stimmen für eine Mehrheit. Mehr als 16 Monate lang sorgte ein Stabilitätspakt mit der CDU für die nötigen Mehrheiten im Parlament. Nachdem die angestrebte Auflösung des Landtages am Freitag abgesagt wurde, will die CDU-Fraktion Ramelows Minderheitsregierung künftig nicht mehr vertraglich festgelegt stützen.

Ab sofort wird mit fünf Fraktionen gearbeitet

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte, dass nun Mehrheiten mithilfe von fünf Fraktionen im Parlament organisiert werden müssten. "Wir als Landesregierung sind darauf angewiesen, Mehrheiten gemeinsam mit unseren drei Fraktionen zu suchen - und ich gehe davon aus, dass wir sie finden werden, dass ab sofort mit fünf Fraktionen gearbeitet wird", sagte Ramelow. Oberste Priorität habe nun die Aufstellung des Landeshaushalts für 2022. Vize-Ministerpräsidentin und Umweltministerin Anja Siegesmund sprach von einer "Politik des Ermöglichens", die es jetzt brauche.

Mit Blick auf das Misstrauensvotum, das die Thüringer AfD-Fraktion mit ihrem Chef Björn Höcke gegen ihn anstrengt, sagte Ramelow: "Es steht der Opposition zu - und in diesem Fall auch der AfD - einen Antrag nach Artikel 73 zu stellen." Er gehe davon aus, dass das Parlament souverän damit umgehen werde.

Ramelow: "Die Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten führt nicht zu einer Landtagswahl"

Die Möglichkeit, über eine Vertrauensfrage zur Neuwahl des Landtags zu kommen, erteilte Ramelow eine Absage und verwies auf die Verfassung. "Die Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten führt nicht zu einer Landtagswahl, sie führt nur zu einer Wahl eines Ministerpräsidenten", sagte Ramelow.

Nach der Verfassung kann ein Ministerpräsident die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Verliert er sie, hat der Landtag drei Wochen Zeit, einen neuen Regierungschef zu wählen. Kommt es nicht dazu, ist der Weg für eine Neuwahl frei. Allerdings könnte in dieser Zeit jede Fraktion eine neue Ministerpräsidentenwahl beantragen - und damit eine Neuwahl verhindern.

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