Erfurt. Wie der Ministerpräsident mit ein paar instinktlosen Sätzen sich und seine Koalition in Schwierigkeiten brachte. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Am Wochenende tat der linke Regierungschef das, war er schon seit einer Weile im verlässlichen Rhythmus tut: Er sorgte für Aufregung. Zuerst berichtete Bodo Ramelow fröhlich davon, dass er sich die Ministerpräsidentenkonferenzen mit Spielchen am Handy vertreibe und nannte die Bundeskanzlerin scherzhaft „das Merkelchen“. Alle aktuellen Entwicklungen im kostenlosen Corona-Liveblog.

Ramelow zeigt Reue nach Aussagen auf Clubhouse

Dann, als dies in der Zeitung stand, empörte sich Ramelow eineinhalb lange Tage darüber – womit er die die Angelegenheit erst recht zum Politikum aufblies. Am Ende entschuldigte er sich.
Doch worum geht es eigentlich genau? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie kam es zu den Aussagen Ramelows?

Der Ministerpräsident hatte sich Freitagabend in einen neuen Talkformat im Internet teilgenommen. Über die App „Clubhouse“, die bisher nur für Apple-Endgeräte verfügbar ist, kann man sich zu Diskussionen einladen lassen. Das Thema legt der Moderator fest, der den virtuellen Raum eröffnet. In diesem Fall ging es darum, „Trash“ (Müll) zu erzählen, also unterhaltsamen Unsinn, es wurde auch gesungen.

Ramelow erzählte, dass er während der zuweilen acht oder zehn Stunden langen Videokonferenzen mit den Amtskollegen und dem Kanzleramt manchmal „Candy Crush“ auf dem Handy spiele. Zuletzt habe er sogar zehn Level geschafft. Dazu bezeichnete Ramelow die Bundeskanzlerin scherzhaft als „Merkelchen“. Etwa 1000 Menschen hörten zu.

„Clubhouse“ – warum reden alle von dieser neuen App?

Was ist „Candy Crush“?

Ein harmloses Spiel, in dem auf einem Spielfeld farbige Steine, die wie Bonbons aussehen, sortiert werden müssen. Liegen drei Steine in einer Reihe, verschwinden sie, und die darüber liegenden Bonbons rutschen nach. Im Prinzip ist es eine Art Puzzle, das immer schwieriger wird.

Aber macht das nicht jeder: In langen Sitzungen am Handy spielen?

Die Verteidiger Ramelows argumentieren, dass der Ministerpräsident einfach das zugebenen habe, was andere insgeheim täten. Auch Katharina Zweig, sie ist Professorin an der TU Kaiserlautern, bekannte sich dazu, während Sitzungen zum Beispiel Sodoku zu spielen: „Nur so kann ich die Konzentration halten, da reines Zuhören bei wenig neuem Inhalt schwierig ist.“

Sogar im Thüringer Landtag ließen sich in der Vergangenheit Abgeordnete dabei beobachten, wie sie auf dem Handy oder Computer spielten. Der ehemalige SPD-Parlamentarier Uwe Höhn nutzte einst eine Debatte dazu, um sich die Fingernägel zu maniküren.

Wo liegt also das Problem?

Stellvertretend für die Kritiker schrieb der Chefredakteur der „Welt am Sonntag“, der bei „Clubhouse“ dabei war, dass es gerade in den Ministerpräsidentenkonferenzen um Corona, Menschenleben und die Einschränkung der Grundrechte gehe. Das Verhalten Ramelows sei deshalb genauso unangemessen und instinktlos wie die Bezeichnung „Merkelchen“, erklärte Johannes Boie.

Wie reagierte Ramelow?

Aggressiv. Er ließ sich extra am Samstagabend erneut bei „Clubhouse“ zuschalten und beschimpfte Boie. Diese habe seine Zitate, die eher privat und lustig gemeint gewesen seien, einfach veröffentlicht und dabei aus dem Zusammenhang gerissen. Dies sei „Scheiße“.

Erst Sonntagabend, nachdem er gegenüber Medien wie dieser Zeitung seine Aussagen trotzig rechtfertigt hatte, knickte der Ministerpräsident teilweise ein. „Den Namen der Bundeskanzlerin zu verniedlichen war ein Akt männlicher Ignoranz“, teilte er per Twitter mit. „Dafür meine ehrliche Bitte um Entschuldigung.“

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Ist damit das Thema erledigt?

Nein. Ramelow wirkt im Wahljahr angeschlagen. Innenminister Georg Maier, der SPD-Spitzenkandidat, legte prompt nach: „Wenn sich bewahrheitet, dass Bodo Ramelow während der Ministerpräsidentenkonferenz Handyspiele spielt, dann sollte er sein Verhalten überprüfen. Dazu ist die Situation zu ernst.“ Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Madeleine Henfling, schrieb auf Twitter, dass es Grenzen gebe, die „offensichtlich“ seien.

Und die Oppositionspartei, auf deren Stimmen Rot-Rot-Grün angewiesen, attackierte Ramelow frontal. CDU-Fraktionschef Mario Voigt sagte, vielen Leute gehe es dreckig in der Pandemie, während der Ministerpräsident sich damit brüste, dass er in entscheidenden Sitzungen „Candy Crush“ spiele.

Was heißt das für die Koalition?

Nichts Gutes. Die Stimmung war nach vielen als Alleingängen wahrgenommenen Initiativen und Kehrtwenden Ramelows eisig. Jetzt ist sie tiefgefroren. Zudem beginnen die Umfragewerte der Linken erstmals seit der Landtagswahl im Oktober 2019 zu sinken.