Berlin. Zehntausende Reiserückkehrer warten nach Corona-Tests in Bayern noch auf das Ergebnis, darunter auch 900 nachweislich positiv getestete. Das wird nun zum Politikum.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich relativ zurückhaltend über die Panne bei der Übermittlung von Corona-Testergebnissen in Bayern geäußert. „Ministerpräsident Markus Söder hat ja selbst gesagt, das sei sehr ärgerlich. Das ist ohne Zweifel so. Gleichzeitig ist es so, dass in außergewöhnlichen Zeiten auch Fehler passieren“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Entscheidend ist, dass sie transparent gemacht werden und sie dann schnell behoben werden. Und das macht die bayerische Staatsregierung.“

Spahn fügte hinzu: „Grundsätzlich bin ich sehr dankbar dafür, dass wir umfassend testen, dass auch die Bayern es möglich machen, zum Beispiel bei der Einreise mit dem Auto an den Raststätten zu testen. Aber dann müssen natürlich auch die Ergebnisse übermittelt werden.“

Am Mittwochnachmittag hatte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) in München bekanntgegeben, dass 44.000 Reiserückkehrer nach Tests in Bayern noch kein Ergebnis bekommen hätten, darunter 900 nachweislich Infizierte. Letztere sollten bis Donnerstagmittag Informationen über ihren Befund bekommen. Grund für die Verzögerungen seien vor allem Probleme bei der händischen Übertragung von Daten und eine unerwartet hohe Nutzung des Angebots, erklärte der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Andreas Zapf.

Spahn wies ferner darauf hin, dass das sinkende Durchschnittsalter der Infizierten kein Grund zur Entspannung ist. „Wir hatten letzte Woche mit im Schnitt, also Durchschnitt mit 34 Jahren das niedrigste Durchschnittsalter seit Beginn. Das heißt eben, dass vor allem unter Jüngeren im Moment viele Infektionen stattfinden.“ Spahn warnte aber: „Das heißt trotzdem, sehr, sehr wachsam miteinander zu sein, weil es eben doch dann zu oft auch schwerste Verläufe geben kann und eben auch Todesfälle – wenn wir nicht aufpassen, in der Familie, im Freundeskreis, auf der Arbeit.“

Rotes Kreuz verteidigt sich nach Panne bei Corona-Tests

Nach der Panne bei der Übermittlung von Corona-Testergebnissen kritisiert das Bayerische Rote Kreuz (BRK) die Behörden. Die bayerischen Hilfsorganisationen seien vom Freistaat beauftragt worden, innerhalb eines Tages fünf Teststationen zu errichten. Dabei hätten sie sich an den Vorgaben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und der Gesundheitsämter orientiert. „Da das LGL sich nicht in der Lage gesehen hat, in dieser kurzen Zeit eine entsprechende Software zur Verfügung zu stellen, mussten die Reisenden händisch mit Formularen erfasst werden“, hieß es in einer Mitteilung.

Das BRK wies „Andeutungen zurück, die darauf schließen lassen, dass die Hilfsorganisationen eine (Teil-)Schuld an dieser Problematik haben“. Es sei bedauerlich, dass der „schweißtreibende Einsatz der Ehrenamtlichen“ in ein negatives Licht gerückt werde, sagte ein Sprecher.

Bayerische Staatsregierung gerät unter Druck

Die Testpanne in Bayern bringt die Staatsregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in Bedrängnis. Die Opposition kritisierte den CSU-Chef heftig und verlangte Konsequenzen. Söder sagte zunächst eine für diesen Donnerstag geplante Reise an die Nordsee ab. „Bayern geht vor“, schrieb er am Mittwoch auf Twitter.

Oppositionspolitiker von Grünen, SPD und FDP sprachen wahlweise von „eklatantem Regierungsversagen“, einer „desolaten Bilanz“ und Schlamperei. Verantwortlich machten sie in erster Linie den Regierungschef, der zuletzt als guter Krisenmanager gelobt worden war und auch in deutschlandweiten Umfragen Spitzenwerte erzielte. Selbst als beliebtester möglicher Unions-Kanzlerkandidat wurde er gehandelt.

Bayerns Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann erklärte: „Markus Söder muss umgehend dafür sorgen, dass das Handeln seiner Ministerinnen und Minister mit seinen wortgewaltigen Ankündigungen Schritt hält. Sonst muss man an dieser Stelle festhalten: Söder kann Krise nicht.“ Der SPD-Landtagsabgeordnete Markus Rinderspacher twitterte: „Dieses Versagen erfordert Aufklärung.“ Er warf unter anderem die Fragen auf: „Wie kann das passieren? Wer steht politisch dafür gerade?“

Die bayerische SPD fordert den Rücktritt von Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). „Frau Huml muss zurücktreten und Herr Söder muss sich erklären“, sagte Generalsekretär Uli Grötsch am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. „Er muss Buße tun, weil er als Ministerpräsident seiner Verantwortung schlichtweg nicht gerecht geworden ist und mit der Gesundheit der Menschen in Bayern gespielt hat.“

Oppositionsparteien im Bund kritisieren Söder wegen Testpanne

Heftige Kritik kommt auch von den Oppositionsparteien im Bund. Der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Graf Lambsdorff, schrieb in der Nacht zu Donnerstag auf Twitter: „900 positiv Corona-Getestete nicht zu informieren, ist Körperverletzung gegenüber denen, die diese anstecken.“ Und er griff namentlich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an, weil am Vorabend nur Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) vor den Medien Stellung genommen hatte. „Wo ist Söder? Sonst immer vorneweg, schickt er jetzt seine Gesundheitsministerin vor. Peinlich“, schrieb Lambsdorff.

Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, twitterte: „Das ist das Ergebnis einer Politik der CSU, die auf Show statt Substanz setzt.“

Linke-Chefin Katja Kipping kritisierte Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) scharf. „Söder entlarvt sich als Scheinriese im Krisenmanagement“, sagte Kipping laut einer Mitteilung ihrer Partei am Donnerstag. „So wichtig die breite Verfügbarkeit kostenloser Corona-Tests ist, so wichtig ist eben auch der sorgfältige Umgang mit den Ergebnissen.“ Die verantwortungsbewusste Verwaltung der Testdaten und die schnelle Information der Getesteten erfordere die gleiche Aufmerksamkeit wie der Aufbau der Testzentren.