Erfurt. Erfurts neuer Stadtrat ist bunt wie nie: Acht Fraktionen werden in den nächsten Jahren um Mehrheiten kämpfen. Strahlende Gewinner sind schwer auszumachen, und selbst Verlierer finden noch einen Trost-Happen.

Der neue Stadtrat ist bunt wie nie: Voraussichtlich acht Fraktionen werden in den nächsten fünf Jahren um Mehrheiten kämpfen. Strahlende Gewinner sind schwer auszumachen, und selbst die größten Verlierer finden alle noch einen Trost-Happen.

Der Erfurter Stadtrat hat 50 Sitze. Größte Fraktion mit zehn Sitzen ist künftig die CDU. Damit ist ein Wahlziel erreicht.

Doch sind das nicht nur zwei Sitze weniger als bisher. Ohne Mehrheit im bürgerlichen Lager wird es der CDU äußerst schwer fallen, dem neuen Stadtrat ihren Stempel aufzudrücken.

Am meisten hinzugewonnen hat die AfD. Aus dem zuletzt nur noch einen Sitz sind sieben Mandate geworden. Da alle anderen Gruppierungen aber nach der Auszählung am Montag jegliche Zusammenarbeit ablehnten, können auch die Alternativen nicht allzu viel bewegen.

Die SPD steht als Wahlverlierer da. Gerade noch so die zweitstärkste Fraktion, büßt der bisherige Platzhirsch mit seinen nur noch neun Sitzen fast die Hälfte seiner Mandate ein.

Grüne fahren ihr bisher bestes Ergebnis ein

Zugleich könnten die Sozialdemokraten aber ein Zünglein an der Waage sein: Die derzeit einzig denkbare stabile Mehrheit in diesem Stadtrat wäre ein links-grüner Block, der ohne die Stimmen der SPD nicht funktioniert. In diesem Block wäre die SPD sogar die führende Kraft – für den linken Parteiflügel sicher ein reizvoller Gedanke.

Es sei denn, es trifft ein, was bereits spekuliert wird: Grüne und Mehrwertstadt bilden eine gemeinsame Fraktion. Mit zusammen zehn Sitzen hätten sie zusammen mehr Einfluss etwa bei der Besetzung von Aufsichtsrats-Posten. Das Manöver ist aber laut den Spitzenkandidatinnen Astrid Rothe-Beinlich (Grüne) und Jana Rötsch (Mehrwertstadt) unwahrscheinlich.

So oder so zählen beide Gruppierungen zu den Gewinnern. Die Grünen fahren mit der Zweistelligkeit und sechs Sitzen ihr bislang bestes Ergebnis ein. Dass in anderen Thüringer Städten für die Grünen noch mehr ging, lässt sich auch mit der Konkurrenz durch die Mehrwertstadt erklären. Die Wählerinitiative hat indes ihr Ziel, mit mindestens drei Stadträten in Fraktionsstärke in den Stadtrat zu ziehen, übertroffen – es wurden vier. Ob die Mehrwertstadt als viertes Rad am Wagen zu einer möglichen rot-rot-grünen Renaissance beitragen will, steht aber längst nicht fest.

Das Ergebnis der Linken ist ein bisschen zwischen Baum und Borke. Mit mehr Prozenten als bei der Europawahl, verlieren sie doch vier Sitze und haben nun nur noch acht. Mehrheiten suchen werden sie wohl im linksgrünen Block.

0,5 Prozent der Wähler entscheiden sich für „Der III. Weg“

Dazu werden neben ihnen selbst, der SPD, den Grünen und der Mehrwertstadt auch die Freien Wähler und die Piraten gezählt. Die Freien Wähler legten leicht zu, bleiben aber bei zwei Sitzen. Da auch ein Pirat in den Stadtrat gewählt wurde, können sie immerhin gemeinsam und dann zu dritt die Bunte-Fraktion fortsetzen.

Allerdings ohne die FDP, die mit ihren nun drei Sitzen eine eigene Fraktion bilden kann und das sicherlich auch tun wird. Das ist ein Erfolg für die Liberalen. Auch bei ihnen gilt zwar, dass selbst mit CDU und SPD keine bürgerliche Mehrheit zustande kommt. Doch bei wechselnden Mehrheiten, die aus aktueller Sicht ebenso wahrscheinlich sind wie ein linksgrüner Block, könnten ihre drei Stimmen Gewicht haben. Zudem stehen sie vielleicht für unorthodoxe Koalitionsdenkspiele bereit.

Die Nazi-Partei „Der III. Weg“ holte 0,5 Prozent der Stimmen und zog nicht in den Stadtrat ein.

Auf der Suche nach Mehrheiten werden mögliche Partnerschaften auch durch die konkreten Personen bestimmt, die künftig im Stadtrat sitzen werden. Die Parteien und Gruppierungen werden wohl einige Wochen benötigen, um die Chemie untereinander auszuloten.

Für die Idee, den Schulbau durch die Einlage der Kowo in die Stadtwerke zu finanzieren, bedeutet die Wahl einen Rückschlag. Glaubt man den bisherigen Aussagen, hat dieser Vorschlag keine Mehrheit mehr.

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