Mihla. Harmloser Scherz oder Nazi-Propaganda? An der Regelschule Mihla sorgen T-Shirts und ein Transparent einer Abschlussklasse für Aufsehen. Schulleiter und Eltern zeigen sich geschockt.

Es haben sich viele in der Klasse benutzen, naiv und gedankenlos vor den Karren spannen lassen, sagt nicht nur die Antifaschistische Linke Eisenach, sondern meinen auch viele andere in die Debatte eingebundene Menschen.

Wer nicht Kenner der rechtsextremen Szene ist, vermutet hinter den Aufschriften auf einem Banner beziehungsweise auf T-Shirts von Schülern einer Abschlussklasse der Regelschule Mihla keine rechtsextremen Parolen. Das taten weder Klassenleiterin Elka Nickol, noch Schulleiter Uwe Schwanz und auch zahlreiche Schüler und Eltern dieser Klasse nicht, wie viele versichern.

Im rechten Spektrum bewanderte Leute können die Sprüche „Trotz Verbot, wir sind nicht tot“ und „Raus mit die Viecher“ allerdings deuten und klar zuordnen. Regelschulleiter Uwe Schwanz ist mittlerweile auch im Bild. Auch in anderen Klassen und über die Grenzen der Schule ist der Fall inzwischen Gesprächsstoff. Auf Facebook hat der Post des Fotos bei der Antifa-Linke eine Lawine losgetreten, eine politische Diskussion, in der Menschen verbal auf sich losgehen, mit Anzeigen und Gegenanzeigen drohen. Von „Sippenhaft“ ist die Rede, von „Ahnungslosigkeit“ oder „Verleumdung“. Die Debatte ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Spaltung.

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Schulleiter Schwanz und Lehrer waren geschockt, als sie erfuhren, was sich mit den Botschaften verbindet. „Raus mit die Viecher“ stammt von einem Mitglied der Familie Ritter aus Köthen, die in den vergangenen Jahren mit ihren rassistischen Parolen und rechtsextremen Sprüchen in TV-Reportagen auffiel. Dieser Ausspruch steht auf der Vorderseite von T-Shirts, die eine Abschlussklasse für sich bedrucken ließ. Auf der Rückseite finden sich die Namen aller Schüler der Klasse.

Uwe Schwanz ist Schulleiter der Regelschule in Mihla. Foto: Katja Schmidberger
Uwe Schwanz ist Schulleiter der Regelschule in Mihla. Foto: Katja Schmidberger © zgt

Schüler streiften das vom Klassensprecher Eric K. initiierte Shirt über, ohne den Slogan zu hinterfragen oder bei Bedenken Schule oder Eltern ein Signal zu geben. Es muss Vorbehalte gegeben haben, denn nicht alle Schüler sind auf dem Abschlussfoto, weiß eine Mutter.

Der Klassensprecher ist der Antifa-Linken als Mitglied der rechten Jugendgruppe „Nationaler Eisenacher Aufbruch“ bekannt. „Für seine politische Gesinnung ist nicht die Schule verantwortlich“, sagt eine Lehrerin. Das Abschlussfoto wurde an alle drei zehnten Klassen versendet, kurz darauf stand es bei der Antifa Eisenach im Netz – erst im Original, später waren die Gesichter verpixelt – und löste harte Gegenreaktionen bis zum Shitstorm, aber auch Bewunderung für Initiator Eric K. aus.

Der Satz „Trotz Verbot sind wir nicht tot“ auf dem Transparent stammt aus einem Liedtext der Gruppe „Kraftschlag“. Das ist eine Rechtsrockband, die den Nationalsozialismus glorifiziert. Wie die Antifaschistische Linke Eisenach auf Facebook schreibt, habe die Band Kontakte zum verbotenen Netzwerk „Blood & Honour“ (Blut und Ehre).

Die meisten Schüler verbanden den Slogan auf dem Banner mit einem Verbot an der Schule. Direktor Schwanz hatte sich vor dem letzten Schultag nämlich den Groll vieler Realschüler eingehandelt, weil er den sogenannten Chaostag verbot und die Schule abschloss. An diesem Tag dekorieren die Abschlussklassen das Schulhaus ansonsten mehr oder weniger kreativ.

„Das Plakat wurde von Schülern gemacht, die ganz klar rechtsextrem sind. Es wurde zwar mit dem Verbot gerechtfertigt, aber der Sinn dahinter ist klar ein anderer“, sagt ein Zehntklässler.

Eine Aussprache mit der besagten Klasse könne es in dieser Woche wegen der „Prüfungsruhe“ nicht geben. „Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig, eine Diskussion unmöglich, Schüler könnten so Prüfungsresultate anfechten“, sagt Schulleiter Uwe Schwanz.

Am Freitag nach der letzten Prüfung werde es mit Klassensprechern und ausgesuchten Schülern eine Aussprache geben. Mehr könne er jetzt nicht tun, so der Rektor. Die Antifaschistische Linke fordert die Schule auf, „sich für diese Vorfälle zu rechtfertigen, Konsequenzen zu ziehen und die Verantwortlichen mit Sanktionen zu belegen“. Eine Stellungnahme der Schule sei in Arbeit, werde aber erst noch von einem Juristen geprüft, sagt Schwanz.

Wissen rechtfertigt keine Arroganz

Für Annett Scheler-Pfeil, Mutter eines Schülers der Klasse, ist der Inhalt des Ursprungsposts bei Facebook mit reichlich Interna gespickt. „Statt mit dem vorhandenen Hintergrundwissen über die Sprüche auf T-Shirt und Laken das Gespräch mit Schülern, Eltern oder den Lehrern zu suchen, wurden anonym alle unter Generalverdacht gestellt, sich rechts außen zu bewegen.“

Wer sich nicht intensiv mit der Propaganda des Dritten Reiches und mit der Neonazi-Szene dieser Tage beschäftige, könne keinen Bezug zu dem Liedtext oder anderen neonazistischen Quellen haben. Die Mutter fragt: „Kann man jungen Menschen Unkenntnis vorwerfen?“

Statt den Bezug sachlich darzulegen, werden die Jugendlichen wüst beschimpft, würden Rufe nach Schulamt und Suspendierung laut. Ein Wissensvorsprung gegenüber anderen gestatte Kritikern keine Arroganz. „Auf diese Weise wird kein Teenager animiert, sich mit den Idealen linker Politik auseinanderzusetzen – herabsetzende Kommentare sind kein probates Mittel“, betont Annett Scheler-Pfeil. Auch die sogenannte Mitte könne man mit solch einem Umgangston aufreiben.

Wären Erwachsene über den rechten Hintergrund informiert gewesen, wären Shirts und Banner so nicht zustande gekommen, betont die Mutter eines weiteren Schülers.

Andere wiederum schütteln bei so viel Naivität den Kopf, stellen die Frage, warum Schüler wie Lehrer vor allem das Shirt nicht hinterfragten.