Erfurt. Wolfgang Tiefensee wirft SPD-Landtagsabgeordnetem Oskar Helmerich unabgesprochenen Alleingang vor. Juso-Chef wirft Sarrazin Rassismus und Antisemitismus vor und fordert Absage der Lesung.

Einen Sturm der Entrüstung innerhalb seiner eigenen Partei hat der Thüringer SPD-Landtagsabgeordnete Oskar Helmerich mit seiner Einladung an den umstrittenen SPD-Politiker und Buchautor Thilo Sarrazin ausgelöst.

SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee erklärte soeben: „Die Buchlesung mit Sarrazin ist ein unabgesprochener Alleingang von Oskar Helmerich, keine Veranstaltung der Thüringer SPD. Ich distanziere mich ausdrücklich und scharf von ihm und den islamfeindlichen Aussagen Sarrazins“, stellte Tiefensee klar. „Ich will bisherige AfD-Wähler durch kritische Auseinandersetzung zurückgewinnen, nicht durch Anbiederung.“

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Oleg Shevchenko fordert Absage der geplanten Buchlesung

Oleg Shevchenko, Landesvorsitzender der Thüringer Jusos forderte die Absage der geplanten Buchlesung: „Sarrazin ist ein Rassist und Antisemit. Seine Thesen haben den Hass noch stärker gemacht und die Neue Rechte beflügelt. Sie sind das Gegenteil von Sozialdemokratie. Die Veranstaltung gehört abgesagt.“

Tiefensee hatte vor einer Woche bekanntgegeben, dass die Thüringer SPD im aktuellen Landtagswahlkampf versuchen werde, Wähler zurückzugewinnen, die auch die SPD an die AfD verloren hatte.

Die Einladung an Sarrazin sei eine „Maßnahme, die in das politische Konzept der Thüringer SPD passt, um Wähler zu werben, die zur AfD abgewandert sind“, begründete Helmerich seine Einladung zur Buchlesung an den SPD-Politiker Sarrazin.

Kritiker bewerten das Buch als islamfeindlich

Der ehemalige Berliner SPD-Finanzsenator ist bundesweit bekannt und in der eigenen Partei vor allem wegen mehrerer Buchveröffentlichungen äußerst umstritten. Im Dezember 2018 hatte die SPD-Bundesspitze das inzwischen dritte Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin eingeleitet. Im Parksaal der Erfurter Steigerwaldstadions will Sarrazin am 22. Mai, vier Tage vor der Europawahl, aus seinem jüngsten Buch „Feindliche Übernahme“ vorlesen. Kritiker bewerten das Buch als islamfeindlich.

Oskar Helmerich, der 2015 nach einem Streit um die politische Ausrichtung der Thüringer AfD unter Björn Höcke die AfD-Landtagsfraktion verlassen und 2016 in die SPD-Fraktion eingetreten war, sagte unserer Zeitung am Freitag, er befürchte aufgrund seiner Einladung an Sarrazin „keine Parteiausschlussdebatte gegen mich“. „Die SPD braucht mehr Tiefensee und weniger Nahes“, sagte Helmerich, der auch justizpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion ist.

Lob von Politikwissenschaftler Werner Patzelt

Oskar Helmerich, justizpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hat das von der Bundespartei bekämpfte SPD-Mitglied Thilo Sarrazin zu einer Lesung aus dessen jüngstem Buch „Feindliche Übernahme“ nach Erfurt eingeladen. Foto: Frank Schauka
Oskar Helmerich, justizpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hat das von der Bundespartei bekämpfte SPD-Mitglied Thilo Sarrazin zu einer Lesung aus dessen jüngstem Buch „Feindliche Übernahme“ nach Erfurt eingeladen. Foto: Frank Schauka © zgt

Großes Lob für Sarrazins Einladung zur Buchlesung, an der - nach bisherigem Planungsstand - auch Soleman Malik von der Erfurter Ahmadiyya-Gemeinde teilnehmen wird, erhielt Oskar Helmerich von dem Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt: „Die Thüringer SPD gehört dafür gelobt und gepriesen.“ Thilo Sarrazin habe als einer der ersten Politiker die politischen und gesellschaftlichen Probleme beschrieben, um die herum später die AfD groß geworden sei, sagte Patzelt unserer Zeitung. „Eine Diskussion über Themen, die die Gesellschaft scharf bewegen, ist ein wichtiger Schritt, um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, und die Voraussetzung, um dem billigen Populismus der AfD etwas entgegenzusetzen“, sagte Patzelt. „Es geht um die Herstellung der Kommunikation, die unserer Gesellschaft leider fehlt.“

Helmerich war an diesem Samstag telefonisch bisher nicht erreichbar.

Kontroverse innerhalb der SPD um Sarrazin-Auftritt