Erfurt. Nach vier Jahren steht der zweite Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss kurz vor dem Abschluss. Was wollten die Abgeordneten aufklären und wie geht es weiter? Die wichtigsten Antworten.

Die Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags neigt sich dem Ende entgegen. Es ist der zweite Untersuchungsausschuss des Landesparlaments, der sich mit der Mord- und Terrorserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe beschäftigt.

Den Sach- und den Wertungsteil des Berichts haben die Abgeordneten des Gremiums bereits verabschiedet. Bei einem Sonderplenum am 1. Oktober soll der Abschlussbericht im Parlament beraten werden, wie ein Sprecher des Landtags sagte. Was wollten die Abgeordneten aufklären und wie geht es weiter?

Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Worum ging es bei der Arbeit des zweiten Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses?

Der Ausschuss setzte die Aufklärungsarbeit zu den NSU-Taten aus der fünften Legislaturperiode des Landtages (2009 bis 2014) fort und wurde 2015 auf Antrag von CDU, Linke, SPD und Grünen eingesetzt. Das Hauptziel: Der Ausschuss sollte herausfinden, ob die Thüringer Sicherheitsbehörden Fehler bei der Suche nach den Rechtsterroristen gemacht haben – und klären, ob Verfassungsschutz und Polizei schon vor dem Auffliegen der Terrorzelle im November 2011 in Eisenach vielleicht doch mehr über das Trio wussten, als deren Vertreter bislang eingeräumt haben. So sollten die Abgeordneten laut Einsetzungsbeschluss unter anderem klären, ob rechte V-Leute von Polizei und Verfassungsschutz mit Duldung oder gar Billigung der Sicherheitsbehörden Straftaten begingen beziehungsweise ob es solche Spitzel auch im Umfeld des Trios gab.

Warum gibt es einen zweiten Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss?

Im ersten Untersuchungsausschuss ließen sich nicht alle offenen Fragen zu der Terrorserie und dem Wissen der Behörden dazu klären. So galten beispielsweise die Umstände des Mordes an der aus Thüringen stammenden Polizisten Michèle Kiesewetter bis zum Ende der Arbeit des ersten Untersuchungsausschusses als noch kaum durchleuchtet. Kiesewetter wurde 2007 in Heilbronn erschossen. Auch mögliche Verbindungen von Rechtsextremen zur organisierten Kriminalität galten als noch nicht untersucht.

Außerdem sieht sich Thüringen in einer besonderen Verpflichtung bei der NSU-Aufarbeitung. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wuchsen in den 1990er Jahren in Jena auf und radikalisierten sich dort. Die Sicherheitsbehörden kannten ihre Namen schon damals. Von Jena aus waren die drei 1998 in den Untergrund gegangen.

Auch im Bundestag und in anderen Bundesländern beschäftigten sich Untersuchungsausschüsse mit dem NSU, unter anderem in Sachsen, Hessen und Baden-Württemberg. In Mecklenburg-Vorpommern nahm ein solcher Ausschuss im vergangenen Jahr seine Arbeit auf.

Was hat der Thüringer Ausschuss herausgefunden?

Er kommt in seinem Abschlussbericht zu der Feststellung, dass sowohl Polizei als auch Verfassungsschutz schon in der Vergangenheit viele Einzelinformationen zur rechten Szene und zur organisierten Kriminalität hatten, diese aber nicht zusammenführten. Darunter waren auch Angaben über den Aufenthaltsort der untergetauchten Rechtsterroristen und deren Unterstützer. Wären diese Informationen richtig ausgewertet und analysiert worden, hätten die Zielfahnder der Polizei Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe „vermutlich“ finden und die NSU-Mordserie so verhindern können, heißt es im Abschlussbericht.

Wie war das Klima im Ausschuss?

Obwohl es immer wieder kleinere Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern von Rot-Rot-Grün und CDU im Ausschuss gab, haben sich die Abgeordneten über die Parteigrenzen hinweg bemüht, gemeinsam an der Aufarbeitung mitzuwirken. Einen Teil des Wertungsteils des Abschlussberichtes trägt die CDU, anders als den Sachteil des Berichtes, trotzdem nicht mit. Deutlich konfliktreicher war das Verhältnis zwischen dem Ausschuss und dem Thüringer Innenministerium. Während die Abgeordneten Einblick auch in sensible Akten zu V-Personen der Thüringer Polizei wollten, verwehrte das Innenministerium dies den Parlamentariern – unter anderem mit der Begründung, das Leben von V-Personen sei in Gefahr, wenn deren Identität öffentlich werde.

Wird es einen dritten Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss geben?

Das ist unklar. Nach Einschätzung der Vorsitzenden des zweiten Ausschusses, Dorothea Marx (SPD), sind auch jetzt noch längst nicht alle offenen Fragen zu dem Trio geklärt. Die Thüringer Linke-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow hat bereits gesagt, dass die parlamentarische NSU-Aufklärungsarbeit ihrer Meinung nach in der nächsten Legislaturperiode mit einer noch weiter gefassten Zielstellung fortgesetzt werden sollte. Man brauche einen Untersuchungsausschuss zu „rechtsterroristische Strukturen“, hatte sie erklärt. (dpa)