Jena. Die Staatsanwaltschaft Gera geht einem umfangreichen Untreueverdacht in der Thüringer Justiz nach. Ein ehemaliger Beamter soll Aufträge im Wert von mehr als 800.000 Euro manipuliert haben.

Wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsnahme ist einem MDR-Bericht zufolge ein ehemaliger hochrangiger Beamter des Thüringer Oberlandesgerichts ins Visier der Justiz geraten. Der 2019 pensionierte Mann soll zusammen mit mehreren Geschäftsleuten Aufträge manipuliert haben. Demnach soll er besonders an zwei der Geschäftspartner Aufträge im Wert von rund 826.000 Euro vergeben haben. Dabei besteht der Verdacht, dass die Auftragsvergabe unrechtmäßig war und der Beamte gegen Vergabe-Vorschriften verstoßen haben soll.

Die Staatsanwaltschaft Gera bestätigte auf Anfrage lediglich das Verfahren. Zu weiteren Ermittlungen wollte sie keine Auskunft geben. Nach MDR Thüringen-Recherchen haben Fahnder des Landeskriminalamtes Anfang Oktober 2019 acht Wohn- und Geschäftsräume in Thüringen und anderen Bundesländern durchsucht.

Ermittler entdecken 70 Konten

Dabei wurden zehn Terabyte Daten und rund 200 Beweise sichergestellt. Aus internen Ermittlungsunterlagen geht hervor, dass die Ermittler rund 70 Konten entdeckt haben, über die Finanztransaktionen in dem Fall gelaufen sein sollen.

Die Unternehmer sollen über Jahre von dem Beamten Aufträge im Bereich Gesundheitsmanagement und IT-Technologie für die Thüringer Justiz zugeschanzt bekommen haben. Die Ermittler prüfen die Auftragsvergaben des ehemaligen OLG-Beamten der letzten neun Jahre.

Beschuldigter soll hohe Schulden haben

Er war bis zu seiner Pensionierung im späten Frühjahr 2019 für Haushalt, Personal, Beschaffung und Gesundheitsmanagement im OLG Jena zuständig. Dabei soll er auch für Aufträge in weiteren Justizeinrichtungen verantwortlich gewesen sein. Zudem gibt es den Verdacht, dass der Ex-Beamte von den Geschäftsleuten Gelder aus den mutmaßlichen Betrugsgeschäften zurückerhalten haben könnte. Bei Finanzermittlungen hatte das LKA entdeckt, dass der Mann offenbar Schulden von mehreren hunderttausend Euro angehäuft hat. Dies könnte ein Motiv für seine mutmaßlichen Taten sein.

Aufgeflogen war das Ganze im August 2019 bei internen Prüfungen im Oberlandesgericht Jena. Die inzwischen ernannte OLG-Präsidentin Astrid Baumann hatte damals Anzeige gegen den ehemaligen Beamten gestellt. Baumann hatte 2018 als Vize die OLG-Leitung übernommen, nachdem ihr Vorgänger, Stefan Kaufmann, Präsident des Thüringer Verfassungsgerichtshof wurde.

Justizministerium überprüft Auftragsvergaben

Der betroffene Ex-Beamte und die betroffenen Unternehmer wollten sich laut MDR nicht äußern oder wiesen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen sie zurück. Auch das Thüringer Oberlandesgericht wollte sich nicht zu dem Fall äußern.

Das Thüringer Justizministerium teilte mit, dass man seit Oktober vergangenen Jahres über die Ermittlungen informiert ist. Das Ministerium nehme den Vorfall unter anderem zum Anlass, „den Geschäfts- und Verwaltungsablauf bei Ausschreibungen und Auftragsvergaben in Abstimmung mit den jeweiligen Behörden und Gerichten zu überprüfen“, heißt es.