Gotha. Podiumsdiskussion mit sieben Kandidaten vor vollem Saal auf Oscars Schlachthofbühne währt fast drei Stunden.

Am Dienstagabend blieb kaum ein Stuhl leer im Saal von Oscars Schlachthofbühne in der Gothaer Parkstraße 15, der zum englischen Pub „The Londoner“ gehört. Kandidaten von sieben Listen mit Parteien und der Freien Wählergemeinschaft Gotha (FWG) stellten sich den Fragen der Moderatoren Maik Schulz (Oscar am Freitag) und Wieland Fischer (Leiter der Lokalredaktion dieser Zeitung).

Sophie Erdmann (Die Linke), Matthias Hey (SPD), Juliane Pürstinger (FWG), Max Fliedner (CDU), Felix Kalbe (Bündnis 90/Die Grünen), Steffi Ziegenbalg (FDP) und Birger Gröning (AfD) hatten in dieser Reihenfolge von links nach rechts auf der Bühne Platz genommen. 90 Sekunden sollten für die Antworten reichen, um möglichst viele Themen behandeln zu können. Nur selten mussten die Moderatoren eingreifen. Die Zeitvorgabe wurde meist eingehalten.

Motivation

Erdmann: Der Jugend fehlt im Stadtrat ein Ansprechpartner. Ich möchte kostenloses Schulessen und einen Gotha-Pass für Senioren mit kleiner Rente. Hey: Ich bin politisch im Stadtrat groß geworden und will die Verbindung sehen vom Landtag zur Stadt, das bewahrt die Erdhaftung. Ich nehme im Erfolgsfall das Mandat auf jeden Fall an. Pürstinger: Ich möchte meine Stadt mitgestalten, damit sie familienfreundlich, für die Jugend interessant bleibt. Die Belebung der Innenstadt ist mir wichtig. Fliedner: Wir haben als Fraktion die Erweiterung des Gewerbegebietes Süd vorangetrieben. Ich will sehen, wie es umgesetzt wird. Ich möchte freies W-Lan in der Innenstadt als Beitrag zu deren Entwicklung. Kalbe: Es wurde schon viel für Senioren getan, jetzt brauchen wir Freizeitangebote für junge Leute. Ein ganzheitliches Konzept ist nötig. Dazu gehören Carsharing und die Radwege. Freies W-Lan ist nötig, damit Gotha im 21. Jahrhundert ankommt. Ziegenbalg: Vieles ist gut, aber vieles geht noch besser, zum Beispiel Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit. Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen ist mein Vorschlag. Gröning: Ich möchte meine Erfahrungen mit der Verwaltung einbringen und den Bürger in den Mittelpunkt der Verwaltungsarbeit stellen. Ich bin für ein Radwegekonzept.

Worauf verzichten?

Hey: Steuereinnahmen steigen weiterhin, nur langsamer. Wenn die Stiftung Schloss Friedenstein in die Stiftung Mitteldeutsche Schlösser und Gärten integriert wird, werden für Gotha 2,4 Millionen Euro frei. Ich würde bei keinem Projekt sagen, das können wir streichen. Ziegenbalg: Man sollte eher schauen, wo zuviel Geld ausgegeben wird. Gröning: Geld ist nicht das Problem. Es wird nur falsch ausgegeben und an falscher Stelle gespart. Die Infrastruktur muss stabilisiert werden. Pürstinger: Die Kämmerei macht einen guten Job, aber die Art und Weise der Kommunikation der Verwaltung mit dem Stadtrat ist manchmal fragwürdig. Da gab es plötzlich ein großes Projekt der Baugesellschaft an der Ecke Augustinerstraße/Jüdenstrasse und dann stellte sich heraus, das soll eine Jugendherberge werden. Und man muss auch an die Unterhaltungskosten denken. Erdmann: Soziale Themen sollen nicht unter einem Motto wie „Hauptsache schöne Feste“ hinten runterfallen. Nicht alles für die Touristen, auch die Jugend stärken und soziale Themen in den Vordergrund stellen.

Zwischendurch widerspricht Hey Grönings Kritik an der Infrastruktur der Schulen und nennt Investitionsbeispiele. Er erhält viel Beifall. Fliedner: In den letzten 15 Jahren wurden Millionen in die Sportstätten investiert. Keine ist mehr in schlechtem Zustand. Kalbe: Zurück zur ursprünglichen Frage: Es gibt Projekte, die man mit wenig Geld umsetzen kann, etwa freies W-Lan in der Stadt über die Freifunk-Initiative oder dass man im Stadtpark grillen und liegen kann. Das ist keine Frage des Geldes, sondern eine Haltungssache.

Rechnungshofkritik

Fliedner: (glaubt zunächst, die Kritik beziehe sich auf die Beteiligung der Stadt an der Stiftung Schloss Friedenstein) Das ist transparent, liegt im Stadtratsbüro aus. (Es geht um die Stadtwerke-Sportstiftung). Pürstinger: Wir beäugen das schon sehr kritisch, haben das Gefühl, die Stadt geht nicht darauf ein. Das schafft Sprengstoff. Hey: Das ist etwas für juristische Feinschmecker. Die Kommunalaufsicht hatte keine Bedenken. Prüfungen laufen noch, vermutlich wird man sich in der Mitte treffen. Gröning: Die Prozesse sollen transparent werden, so etwas deshalb bitte auch digital abbilden.

Baubürgermeister

Wieland Fischer bittet die Kandidaten, mit ja oder nein die Frage zu beantworten, ob Gotha zum Oberbürgermeister auch einen Stellvertreter, den Baubürgermeister braucht. Alle Kandidaten sagen ja. Hintergrund ist die vom Gothaer Oberbürgermeister initiierte Ausschreibung, die einen Volljuristen für die Stelle vorsieht. Zum Aufgabenbereich gehört jedoch die Bauleitplanung, eine der wichtigsten Aufgaben von Kommunen. Dies hat zur Klage des Vorgängers geführt, die derzeit die Besetzung der Stelle blockiert. Pürstinger: Wir brauchen einen Baudezernent, das hat sich im letzten Sommer gezeigt. Mit einem Volljurist wäre die Stelle vollkommen falsch besetzt. Fliedner: Sicherheit und Ordnung gehört zu der Leitungsposition, deshalb ist ein Volljurist richtig. Hey: Infolge europaweiter Ausschreibungen brauchen wir jemand, der in Bau und Juristerei sehr bewandert ist. Gröning: Ich will einen Baubürgermeister. Pürstinger ergänzt: Die Stadt hat bereits umfassende juristische Unterstützung. Wir brauchen einen Architekten. Erdmann: Juristen und Bauexperten sind zwei Sachen. Kalbe: Ich kenne das aus der Kirche, man sollte überlegen, ob ein Jurist sinnvoll ist. Ziegenbalg: Es gibt in der Wirtschaft viele Rechtsstreite am Bau. Ich bin eher für den Volljuristen.

Es folgt eine angeregte Debatte um die Situation im Stadtteil Gotha-West, zu der alle Kandidaten beitragen. Hey erläutert das Sozialraumkonzept 2030+, das zunächst nur eine Studie ist, aber gegebenenfalls den Einsatz finanzieller Mittel lenken soll. Erdmann und Fliedner mahnen Gerechtigkeit bei der Umverteilung an. Kalbe fordert, Vereine zu unterstützen, die schon in Gotha-West tätig sind.

Ein weiteres Thema ist die Hauptmarktsanierung. Die strukturellen Probleme würde das Sanierungskonzept nicht lösen, mahnt Pürstinger an. Hey will die Sanierung abwarten, dann beleben. Hey erwägt auch eine Straßenbahn in Gotha-West.

In die Publikumsdebatte bringt der 80-jährige Harald Bestel Umweltfragen ein.