Weimar. Peter Kleine: Regeldurcheinander beenden und das Vertrauen der Menschen nicht verspielen

Mehr Nachvollziehbarkeit und Widerspruchsfreiheit bei der Planung und Ausgestaltung der Maßnahmen zur Corona-Prävention hat Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine vom Freistaat Thüringen gefordert. Er unterstrich damit Aussagen, wie er sie bereits am Donnerstag in einem Brief an die Bundeskanzlerin und den Thüringer Ministerpräsidenten gemacht hatte.

„Die bisherigen Erfolge bei der Eindämmung der Corona-Pandemie in Thüringen sind vor allem das Ergebnis des konsequenten rechtzeitigen Handelns der kreisfreien Städte und Landkreise mit ihren Gesundheitsämtern, Verwaltungs- und Rettungsdienstinfrastrukturen“, betonte Kleine.

Der parteilose Weimarer OB untersetzt das mit dem Vorgehen in der Kulturstadt: Weimar habe bereits am 26. Februar 2020 den Stab für außergewöhnliche Ereignisse aktiviert. Am 28. Februar 2020 wurde die Hotline für alle Fragen um das Corona-Virus eröffnet. Am gleichen Tag wurde die erste zentrale Abstrichstelle des Landes in Weimar eingerichtet. Die gesamte Stadtverwaltung fokussiere sich auf die Corona-Prävention im Stadtgebiet. Grundsätze: Beratung geben, Abstriche nehmen, Kontaktpersonen ermitteln, betroffene Bürger in Quarantäne versetzen. Das bisherige Ergebnis zeige: Es hat sich gelohnt. 63 Infizierte, davon 55 Genesene und nur noch wenige Menschen in Quarantäne. „Und das Wichtigste: Keine Bürgerin und kein Bürger dieser Stadt ist bisher an Corona gestorben“, so der Oberbürgermeister.

„Die Menschen in unserem Land haben bisher in hohem Maße Verständnis, Geduld und Mitwirkung an den Tag gelegt. Es herrschen trotz der außergewöhnlichen und anhaltenden Einschränkungen Ruhe und Ordnung“, erkennt Peter Kleine an. „Allerdings lässt an vielen Stellen der konsequente Vollzug und das Verständnis für die Maßnahmen spürbar nach. Diese bedenkliche Tendenz wird durch die oft unkalkulierbaren und widersprüchlichen Regelungen des Freistaates verstärkt.“

Als Beispiele aus den vergangenen Wochen führt Weimars OB an: „Warum wurden Geschäfte in anderen Ländern bereits zum 20.4. geöffnet, in Thüringen erst am 24.4, wobei die Öffnung zunächst für den 27.4. angekündigt war? Warum wurden Versammlungen in Thüringen in einer Über-Nacht-Aktion schon ab 23.4. erlaubt, obwohl auch hier der 4. Mai bundesweit einheitlich vorgesehen war? Warum werden die harten Kontaktbeschränkungen innerhalb von Familien weiterhin aufrecht erhalten, während Versammlungen zum Kundtun politischer Meinungen längst wieder gestattet sind? Warum ist die Außengastronomie verboten, obwohl diese durchaus mit Einhaltung des Abstandsgebotes möglich wäre?“

Ministerpräsident Bodo Ramelow wirft Weimars OB vor, mit seiner Teilnahme an einem als Kundgebung deklarierten Konzert am 3. Mai in Weimar die klaren Regeln für alle zu unterlaufen. Veranstaltungen seien weiterhin verboten. So lobenswert die Unterstützung für Musiker sei: „Die geltenden Regeln dürfen nicht verbogen werden. Anders ausgedrückt: Wo Kundgebung draufsteht, darf nicht Konzert drin sein.“ Eine Teilnahme an dieser Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt komme für ihn als Oberbürgermeister der Stadt Weimar daher nicht in Betracht. „Es geht um Glaubwürdigkeit von Politik, aber auch um Vorbildwirkung. Das lasse sich mit einer Teilnahme an der Veranstaltung nicht erreichen.

In seine Kritik bezieht Kleine auch die überraschende Möglichkeit zur Öffnung von Musikschulen, Kosmetik- und Nagelstudios, Fahrschulen und andere Institutionen und Unternehmen ab Montag ein. Das sei zwar prinzipiell gut. Aber die Betreiber und Mitarbeiter hätten nun keine Zeit, die nötigen Vorsichtsmaßnahmen und Hygieneregeln umzusetzen, wenn ab Montagfrüh die Kunden vor der Tür stehen. „Es ist ein Regelungsdurcheinander entstanden, bei dem kaum noch einer durchblickt. Ich fordere die Landesregierung daher auf, diesen permanenten und unkalkulierbaren Aktionismus durch klare, nachvollziehbare und schlüssige Regelungen mit realistischen und verlässlichen Zeitvorgaben abzulösen.“ Nur so könne man weiterhin auf die Akzeptanz der bisher erfolgreichen Corona-Präventionsmaßnahmen bauen. „Das Vertrauen der Bevölkerung darf nicht verspielt werden“, unterstrich Peter Kleine.