Erfurt. Ramelow könnte sich zur Not vorstellen, auch mit der CDU zu regieren. Mohring will diese Option nicht mehr kategorisch ausschließen.

Zumindest die Körpersprache erinnert kurz an die gute alte Zeit. Ob er die Berliner Politik mitverantwortlich mache für die Niederlage in Thüringen, will ZDF-Moderator Claus Kleber von Mike Mohring am Wahlabend wissen. Der CDU-Spitzenkandidat überlegt, stellt sich für den Bruchteil einer Sekunde auf die Fußspitzen. Diese Angewohnheit hat Mohring sich von Bernhard Vogel abgeguckt. Thüringens Altministerpräsident wippte gerne auf und ab. Vor allem in Momenten des Triumphs.

Doch die Jahre, als die CDU mit absoluter Mehrheit den Freistaat regierte, sind lange vorbei. Auch wenn die Bundes-CDU sicherlich keinen Rückenwind bescherte, die historische Niederlage der Thüringer Union, das Abrutschen der bis dato stärksten politischen Kraft auf Position drei hinter Linken und AfD – das alles geht mit Mohring nach Hause.

Selbst im Eichsfeld, wo junge Thadäus König AfD-Spitzenmann Björn Höcke seine Grenzen aufzeigte, und auch die Grand Dame der örtlichen CDU, Christina Tasch, erwartungsgemäß ihren Wahlkreis gewann, sind die Resultate schlecht wie nie. Ohnehin ist die Zahl der Direktmandate auf einem Rekordtief angelangt.

Prominentester Verlierer ist der Landesvorsitzende der Jungen Union, Stefan Gruhner, der knapp gegen AfD-Mann Uwe Thrum den Kürzeren zog und nicht mehr im Landtag vertreten sein wird. In Weimar schnappte Linken-Vize Steffen Dittes Ex-Innenminister Jörg Geibert das Direktmandat weg. In Jena setzten sich die Linken-Abgeordneten Torsten Wolf und Gudrun Lukin durch. Auch in den beiden Geraer Wahlkreisen unterlagen Christdemokraten Linken- oder AfD-Kandidaten. Die von der SPD zur CDU gewechselte Bildungspolitikerin Marion Rosin schaffte es in Gotha nur auf Rang vier.

Erneut und womöglich endgültig Abschied nehmen heißt es auch für Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU), die es nicht über die Landesliste schaffen wird. Mohring indes ist weiter eine sichere Bank, gewann seinen Wahlkreis im Weimarer Land direkt. Das gelang aber auch Bodo Ramelow in Erfurt im Gegensatz zu 2014. Die Spitzenkandidaten der Grünen, Anja Siegesmund und Dirk Adams, ziehen nur über die Liste ein.

Das Gleiche gilt bei der SPD für Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee und Innenressortchef Georg Maier. Einziger Lichtblick hier: Fraktionschef Matthias Hey, der in seiner Gothaer Heimat erneut direkt gewählt wurde.

Doch was bedeuten diese wahltektonischen Verschiebungen für das politische Thüringen? Selbst wenn der von Rot-Rot-Grün bereits verabschiedete Haushalt 2020 ein wenig mehr Zeit bei der Regierungsbildung lässt, ist die Zukunft ungewiss. Die Koalition ist abgewählt. Ob eine Minderheitsregierung zustande kommt, steht in den Sternen. Auch für das von Mohring stets favorisierte Bündnis mit SPD, Grünen und FDP reicht es nicht.

Ramelow könnte sich zur Not vorstellen, auch mit der CDU zu regieren. Mohring will diese Option nicht mehr kategorisch ausschließen. Aber ein Bündnis mit der Linke wäre der glatte Bruch eines – also seines – Wahlversprechens. Immerhin wurden bislang Koalitionen mit Linken und AfD gleichermaßen strikt abgelehnt. Nun fürchten viele um die Glaubwürdigkeit der CDU. In der Partei rumort es seit Mohrings unabgesprochener Annäherung an die Linke gewaltig.

Während Ramelow bei der Linken für einen nie dagewesenen Höhenflug sorgte, hatte bei der CDU der ganz auf Mohring zugeschnittene Wahlkampf den gegenteiligen Effekt. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, wann der Ruf nach personellen Konsequenzen laut wird. Vorgängerin Christine Lieberknecht musste 2014 sogar nach leichten Zugewinnen gehen.

Zum Ende des Wahlabends singen Rest of Best dem Wahlverlierer Mohring zum Trost ein Ständchen. Der sitzt dabei auf einem Hocker. Gewippt wird längst nicht mehr.

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