Berlin/Bad Saarow. Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall hinkt der Osten wirtschaftlich dem Westen hinterher. Viele Ökonomen glauben, dass er nicht weiter aufholen wird - Gründe gebe es viele. Auch die Industrie warnt.

Ostdeutschland wird sich nach Überzeugung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier wieder zu einer starken Industrieregion entwickeln. Der CDU-Politiker setzt dabei aber auf ein weiter starke Förderung mit EU-Mitteln. «Eine erfolgreiche Industrialisierung in Ostdeutschland kann nur in Zusammenarbeit und mit Unterstützung der EU gelingen», sagte Altmaier am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. «Ich setze mich deshalb für den Erhalt der EU-Strukturfondsmittel für die neuen Bundesländer in der nächsten Förderperiode ab 2021 ein.»

Oberstes Ziel sei es, zukunftsfähige Arbeitsplätze in den neuen Ländern zu schaffen, sagte Altmaier. Dies solle erreicht werden durch die Förderung unternehmerischer Investitionen, den Ausbau von Infrastruktur und durch Ansiedlung von Bundes- und Forschungseinrichtungen. Die Industrie warnt vor einem akuten Fachkräftemangel im Osten und mahnt mehr Offenheit für Zuwanderer an. Altmaier wird an diesem Montag im brandenburgischen Bad Saarow mit den Regierungschefs von Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt über die Zukunft der ostdeutschen Wirtschaft debattieren.

Das Münchner Ifo-Institut hatte zuletzt ermittelt, dass 30 Jahre nach dem Mauerfall eine Mehrzahl von Ökonomen nicht mehr daran glaubt, dass Ostdeutschland noch weiter wirtschaftlich zum Westen aufholt. Als Gründe nannten die Ökonomen die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, einen Mangel an Arbeitsplätzen, Zerstörung der industriellen Netzwerke, unterschiedliche Produktivität sowie zu wenige Industrie-Ansiedlungen und Unternehmenszentralen im Osten. Hinzu kämen mehr Schulabbrecher als im Westen, weniger Forschung und Entwicklung, mangelnde Export-Orientierung sowie eine falsche Wirtschaftspolitik nach 1990.

Auch der Industrieverband BDI erklärte, dass der wirtschaftliche Aufholprozess derzeit stagniere. «Das liegt unter anderem an der kleinteiligeren Wirtschaftsstruktur sowie am Fehlen großer Unternehmen und Konzernzentralen zwischen Ostsee und Erzgebirge, was der langen Teilung geschuldet ist», sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts des Fachkräftemangels müssten Weiterbildung und Qualifizierung intensiviert werden. Der Osten müsse aber auch für Zuwanderung attraktiver werden: «Offene oder latente Fremdenfeindlichkeit erweist ganzen Regionen einen Bärendienst.»

Ost-Wirtschaftsleistung steigt stark an

Dennoch wurde aus Sicht des BDI viel erreicht. Nach der Wiedervereinigung habe die Wirtschaftsleistung pro Kopf gerade ein Drittel des westdeutschen Niveaus betragen, heute liege es bei fast drei Vierteln. Das Pro-Kopf-Einkommen habe sich mehr als verdoppelt, die Produktivität sei um das Vierfache gestiegen.

Aus Altmaiers Sicht hat sich in Ostdeutschland ein starker Mittelstand entwickelt mit vielen international wettbewerbsfähigen Unternehmen und innovativen Zentren. Aktuell stehe die ostdeutsche wie die gesamtdeutsche Wirtschaft vor großen Veränderungen durch die Digitalisierung und die Veränderungen des globalen und technologischen Wettbewerbs. Er habe mit seiner Industriestrategie erste Vorschläge vorgelegt, «damit wir in ganz Deutschland bei Zukunftstechnologien vorn mit dabei sind und Arbeitsplätze der Zukunft sichern», sagte Altmaier.

«Mir ist wichtig, dass wir den industriellen Mittelstand stärken», sagte der CDU-Politiker weiter. «Ich habe Vorschläge für den Bürokratieabbau vorgelegt, und ich halte auch Entlastungen bei der Körperschaftsteuer, beim Soli oder den Energiepreisen weiter für möglich und notwendig.» Er werde die Mittelstandsförderung in vollem Umfang fortsetzen, sagte Altmaier.