Martin Debes über bestimmte Beziehungen.

Am Wochenende versammelte sich die SS in Ostritz in Sachsen. „Schild und Schwert“ lautet der Titel des sogenannten Festivals, auf dem sogenannte Bands mit den Namen „Flak“, „Radikahl“ oder „Frontfeuer“ spielten. Die sogenannten Besucher trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Adolf“, „Rassist“ oder „Nationale und Soziale Aktion“ durch das sommerlich-sächsische Grün an der Neiße. Viele waren aus Thüringen angereist.

Die schöne Stadt Görlitz liegt ein paar Kilometer neißeabwärts. Hier wurde, wie an dieser Stelle vor einer Woche reflektiert, fast ein Polizeikommissar für die AfD Oberbürgermeister. Mit Sebastian Wippel, so heißt er, trank ich ein presseberichterstattungsbedingtes Bier in einer Kneipe, in der ein auffällig großer Teil der abendlichen Gäste auffällig wenige Haare, aber dafür auffällig viele Tätowierungen trugen, die von einer, wie man in der AfD wohl sagt, patriotischen Gesinnung zeugten.

Wippel schien die Gesellschaft, weil ein Journalist neben ihm saß, kurz ein bisschen unangenehm zu sein. Aber der Moment ging vorbei, er hatte ja das Lokal ausgesucht, dessen Wirt mit ihm in der städtischen AfD-Fraktion sitzt, die übrigens die größte ist. Man kennt sich halt.

Auf die stämmigen Männer mit Glatze und Tätowierungen angesprochen, sagte Wippel, dass Neonazis in Görlitz heute nicht mehr „öffentlich wahrnehmbar“ seien. „Die sind erwachsen geworden, haben Arbeit und Familien gefunden. Die meisten alten sind nicht mehr extrem.“

Damit steht die Überleitung zu Thorsten Heise wie eine deutsche Eiche, schließlich wurde der Mann gerade 50 und hat in Fretterode, wo das thüringische Eichsfeld besonders eichsfeldisch ist, eine Familie gegründet. Dieselbe habe, so sagte es mir der hiesige AfD-Landesvorsteher Björn Höcke schon vor fünf Jahren, einen „guten Eindruck“ auf ihn gemacht.

Die beiden Männer sind ja praktisch Nachbarn. Höcke wohnt im nahen Bornhagen, die Kinder gingen gemeinsam in die Schule. Auf diese Weise, sagte Höcke, sei man ins Gespräch gekommen, auch über Politik, wie das eben so passiere. Man kenne sich halt. Höcke störte sich offenbar kaum daran, dass Heise wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruchs oder Volksverhetzung verurteilt war, Neonazi-Postillen vertrieb und an führender Stelle der NPD angehörte.

Später entstand der begründete Verdacht, dass Höcke unter Pseudonym in den braunen Blättchen Heises Artikel veröffentlicht hatte. Die beiden mutmaßlich Beteiligten bestritten dies; gleichzeitig aber wehrte sich der AfD-Landeschef, der sonst gerne die Medien verklagt, nie juristisch.

Noch später stellte sich heraus, dass Höcke einst auf einer Neonazi-Demonstration in Dresden mitmarschiert war. In Dresden hielt er denn auch seine Rede, in der er das Holocaust-Gedenken verhöhnte und „die furchtbare Lage“ des deutschen Volkes beschwor, das nur der „vollständige Sieg“ der AfD retten könne.

Überhaupt entwickelte Höcke sich. Er gründete den „Flügel“, um die AfD auf den richtig rechten Weg zu bringen, und er veröffentlichte ein Buch, in dem er sich unter hochbildungsschwangerem Wortgebimmel von jedwedem Extremismus distanzierte, um dann dies zu referieren: „Die Italiener [schätzten] bekanntlich am Faschismus die Ausschaltung der Mafia, die Trockenlegung der Sümpfe, die guten Straßen und die pünktlichen Züge.“

Auch die Entwicklung von Heise – mit dem Höcke seit Kurzem gemeinsam im Eichsfelder Kreistag sitzt – schritt voran. Er stieg zum Landeschef der Thüringer NPD auf, und er erfand SS, das Tanzvergnügen für den modebewussten Neonazi in Ostritz. Er könne nicht ausschließen, sagte er am Wochenende, dass er mal mit Stephan E. auf einer Demo war – also jenem Mann, der mutmaßlich Walter Lübcke aus nächster Nähe in den Kopf schoss, weil der CDU-Politiker aus Kassel im Migranten zuerst den Menschen sehen wollte und nicht den, wie es auf Alternativdeutsch heißt: den Invasor.

Ach, es ist schon ein rechter Beziehungssalat in jenen Ländern, die gerade die AfD zur ihrer Bastion ausbaut. In Thüringen wuchs Beate Zschäpe mit den beiden Uwes auf, die hier ihre ersten Bomben bauten. Danach zogen sie von Sachsen aus los, um Migranten oder ihre Nachkommen zu ermorden, per Kopfschuss, auch in Kassel.

Der Name von Thorsten Heise fiel oft im Prozess und den Ausschüssen, die sich mit dem NSU beschäftigten, weil er mit Leuten zu tun hatte, die mit den Rechtsterroristen zu tun hatten.

Man kannte sich halt.