Martin Debes zum Ausgang der Landtagswahlen

Blackbird fly, blackbird fly, into the light of a dark black night.“ Amsel flieg, in das Licht der dunklen, schwarzen Nacht.

Es war in der dunklen, schwarzen Nacht des vergangenen Sonntags, als auf einer Terrasse in der Erfurter Innenstadt die Band mit dem in diesem Moment so passend erscheinenden Namen „Rest of best“ das schöntraurige Lied der Beatles von der Amsel anstimmte: „Nimm diese gebrochenen Flügel und lerne zu fliegen.“

Die Band stand neben dem Mann, der Jahre, nein: Jahrzehnte auf diesen Abend hingearbeitet hatte. Mike Mohring wollte Ministerpräsident werden, unbedingt. Stattdessen führte er seine Thüringer CDU in eine der schwersten Niederlagen ihrer Geschichte, nur vergleichbar mit dem Desaster unter Dieter Althaus im Katastrophenjahr 2009.

Nun saß er hier, auf der Terrasse, hinter sich die erleuchtete Silhouette des Doms, abgeschirmt von Freunden, Parteikollegen, Weggefährten, die versuchten, ihn irgendwie zu trösten und nebenbei sich gleich mit. Der Mann, der erst vor wenigen Monaten den Krebs für besiegt erklärt hatte, durchlitt gerade die schwerste politische Niederlage seines Lebens.

Ob ihm die Krankheitserfahrung dabei half? Mohring hatte vor der Wahl immer wieder davon erzählt, wie viel demütiger er geworden sei. „Ich sehe die Dinge gelassener“, sagte er. Nun, in dieser Nacht, begann der ultimative Test dieser Ansage.

Nachdem das Lied von der Amsel verklungen war, stellte sich Mohring doch noch zu den Journalisten, mit denen er zuvor nicht hatte reden wollen. Er probierte, im Vertrauen des Hintergrundgesprächs, die Sätze aus, die er am nächsten Morgen in der Hauptstadt vor der Präsidiumssitzung der CDU öffentlich sagen würde.

Und diese Sätze hatten es in sich. „Die CDU in Thüringen ist bereit für Verantwortung, wie auch immer die aussehen kann und sollte“, sagte er in Berlin. „Deswegen muss man bereit sein, nach diesem Wahlergebnis auch Gespräche zu führen. Ohne was auszuschließen, aber in Ruhe und Besonnenheit.“ Und dies, sagte er, werde allein in Thüringen entschieden. „Mir sind stabile Verhältnisse wichtiger für das Land, als dass es nur um parteipolitische Interessen geht.“

Damit hat der Flug des Mike Mohring ins Ungewisse begonnen: ein Flug mit gebrochenen Flügeln, in dem Turbulenzen garantiert sind und letztendlich auch der finale Absturz möglich erscheint.Doch erst einmal muss er überhaupt in der Luft bleiben. Er muss die Ämter und die Kontrolle über die eigene Landespartei behalten. Und er muss, so pathetisch dies klingen mag, das Richtige für Thüringen tun.

Und das Richtige ist: Die CDU sollte in dieser außerordentlichen Lage, in der sich keinerlei realistische Mehrheit im Landtag anbietet, in Gespräche mit der Linken gehen – selbst wenn diese Gespräche am Ende zu keinem substanziellen Ergebnis führen sollten.

Die Alternativen wären die demokratische Totalverweigerung – oder die selbst ernannte Alternative namens AfD. Beides wurde gestern von namhaften hiesigen CDU-Mitgliedern gefordert.

Doch beides ist falsch. Mehr noch: Es ist verantwortungslos.

Erst das Land, dann die Partei, dann die Person: Bernhard Vogel wiederholte am Montag sein altes Mantra, das viel zu oft von den Falschen zu den falschen Gelegenheiten aufgesagt wird.

Doch zu diesem Moment der thüringischen Geschichte passt es.

Niemand, selbst die Linke nicht, erwartet das Ja der CDU für eine dunkelrot-schwarze Koalition. Ein solcher Schritt bedeutete den Bruch eines eindeutigen Wahlversprechens und eines gültigen Parteitagsbeschlusses. Und ein solcher Schritt würde, falls die Linke überhaupt mitmachte, die Union zerreißen und zu keinem sinnvollen Regierungshandeln führen.

Das einzige Zugeständnis, das zurzeit möglich erscheint, wäre für die CDU noch schwierig genug. Sie müsste, durch Enthaltung oder Abwesenheit, die Wiederwahl des linken Ministerpräsidenten im dritten Wahlgang ermöglichen, in dem eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht.

Dann könnte Bodo Ramelow eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung bilden, die für alles, was sie gesetzlich vorhat, um die Zustimmung von CDU und FDP bitten muss. Zumindest in den ersten Monaten ließe sich das sogar noch relativ entspannt einüben, da der Haushalt für das kommende Jahr bereits verabschiedet ist.

Fly, Blackbird, fly . . .

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